Michael Lüders: „Der ganze Nahe und Mittlere Osten könnte explodieren“

Von infosperber/Michael Lüders – 21. Oktober 2023

Die USA und auch die arabischen Staaten möchten das „Mullahregime“ im Iran stürzen, warnt Islamwissenschaftler Michael Lüders. … Der deutsche Politik- und Islamwissenschaftler Michel Lüders war viele Jahre Nahostkorrespondent der ZEIT und von 2015 bis 2022 Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft. Wer sich einen Überblick über die Vorgeschichte und die Kräfteverhältnis im Nahen Osten anhören möchte, kann es mit dem gut einstündigen Video unten tun. – Es gebe bisher keine Beweise dafür, sagt Lüders, dass der Iran die Hamas zum Terrorakt auf israelischem Gebiet ermutigt habe. Doch allein die Behauptung, der Iran sei Drahtzieher des terroristischen Angriffs beziehungsweise der kriegerischen Attacke, könnte genügen, um einen Angriffskrieg gegen den Iran zu rechtfertigen. Ähnlich wie die Behauptung, der Irak verfüge über Massenvernichtungswaffen, als Rechtfertigung dafür diente, um den Krieg gegen den Irak loszutreten. Im Fall eines Angriffs auf den Iran würden China und Russland kaum passiv bleiben. Die drastische Sanktionspolitik der USA hat diese ungleichen Länder voneinander abhängig gemacht. Das erklärt der Politik- und Islamwissenschaftler Michel Lüders zum Krieg im Nahen Osten. Lüders warnt: „Niemand kann voraussehen, was passiert, wenn der ganze Nahe und Mittlere Osten explodiert. Niemand kann sich ausmalen, was in westlichen Ländern nach einem weiteren Ölpreisschock passiert.“ Das Problem sei nicht militärisch zu lösen, sondern nur politisch mit einer Regelung der Palästinafrage.

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[Direkt zum YouTube-Video des Vortrags von Michale Lüders]

Jüdische Wissenschaftlerin Judith Butler verurteilt Israels „Völkermord“ in Gaza

Interview mit Judith Butler. Interview: Amy Goodman und Nermeen Shaikh (gekürzte Version) – 30. Oktober 2023

Während die Klimaaktivistin Greta Thunberg von Israel- und US-hörigen Politikern und Mainstream-Medien diffamiert und praktisch für vogelfrei erklärt wird, weil sie es gewagt hat, auf ihrem Instagram-Account einen Aufruf zum Generalstreik zu teilen, in dem Israel ein Genozid am palästinensischen Volk vorgeworfen wird,

distanzieren sich weltweit immer mehr antizionistische Juden von den Verbrechen des Netanjahu-Regimes an den Palästinensern und prangern diese sogar offen an. Nun hat sich auch die berühmte US-amerikanische Philosophin Judith Butler in diesem Sinn geäußert. (die GG-Red.)

Im Interview erklärt die Berkeley-Professorin, warum sie von Genozid spricht. Politik und Medien würden Opfer in zwei Klassen einteilen. Hier ihre Forderungen. – Judith Butler ist US-amerikanische Philosophin und politische Kommentatorin. Sie ist Professorin an der University of California, Berkeley, und Inhaberin des Hannah-Arendt-Lehrstuhls an der European Graduate School. Außerdem ist sie Mitglied des Beirats der Jewish Voice for Peace. Amy Goodman ist preisgekrönte US-Journalistin, Buchautorin, Produzentin sowie Moderatorin von Democracy Now!. Butler ist Autorin zahlreicher Bücher, darunter „The Force of Nonviolence: An Ethico-Political Bind und Parting Ways. Jewishness and the Critique of Zionism“. Ihr jüngster Beitrag für die London Review of Books trägt die Überschrift The „Compass of Mourning“. Zusammen mit Dutzenden jüdischen Schriftstellern und Künstlern hat Butler kürzlich einen offenen Brief an US-Präsident Biden unterzeichnet, in dem sie einen sofortigen Waffenstillstand fordern. Zu den Unterzeichnern des Briefes gehörten auch V, ehemals Eve Ensler, Masha Gessen und der Dramatiker Tony Kushner.

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[Zum Originalinterview auf www.democracynow.org]

USA verlegen massiv Truppen in den Nahen Osten und drohen Iran

Von Andre Damon – 28. Oktober 2023

Die USA weiten das größte Marineaufgebot in der Region seit Jahrzehnten noch aus und verlegen weitere Soldaten, Kriegsschiffe und Flugzeuge in den Nahen Osten – als offene Drohung gegen den Iran. Zeitgleich mit dieser militärischen Eskalation setzt Israel seine unerbittlichen Luftangriffe gegen Zivilisten im Gazastreifen fort und erhöht damit die Zahl der Todesopfer seines Völkermords an den Palästinensern auf über 7.000. Am Donnerstag kündigte der Pentagon-Sprecher Brigadegeneral Pat Ryder die Entsendung weiterer 900 US-Soldaten in den Nahen Osten an. Seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober wurden bereits mehr als 10.000 Soldaten, Matrosen und Piloten in die Region geschickt. Am Mittwoch drohte Biden dem Obersten Führer des Iran, Ali Chamenei: „Meine Warnung an den Ajatollah lautete, wenn sie weiterhin gegen diese Truppen vorgehen, werden wir reagieren. Und darauf er sollte vorbereitet sein.“ US-Außenminister Antony Blinken drohte am Dienstag: „Wenn der Iran oder seine Stellvertreter irgendwo US-Militärpersonal angreifen – lassen Sie sich nicht täuschen –, werden wir unsere Leute verteidigen.“ Am Donnerstag behaupteten US-Regierungsvertreter, US-Truppen seien im Irak zwölfmal und in Syrien viermal angegriffen worden. Infolgedessen hätten, laut US-Angaben, 21 Soldaten bei diesen Angriffen leichte Verletzungen erlitten. Angesichts der Tatsache, dass die USA zahlreiche politische Kräfte im gesamten Nahen Osten zu Stellvertretern des Iran erklärt haben, könnten diese angeblichen Angriffe als direkter Casus Belli für einen Angriff auf den Iran dienen. Am Mittwoch forderte der ehemalige General Joseph Votel, der zuletzt Befehlshaber des US Central Command war, Biden dazu auf, als Reaktion auf die angeblichen Angriffe militärische Gewalt gegen den Iran einzusetzen: „Wir werden das tun müssen. … Ich glaube, wir sind an dem Punkt, wo wir es wahrscheinlich tun können, und wir sollten es tun. … Wir können und sollten direkter auf diese Drohungen gegen unsere Soldaten reagieren.“ Der iranische Außenminister Hossein Amirabdollahian warnte am Donnerstag vor den Vereinten Nationen, der Iran werde in einen Krieg mit den USA gezogen, wenn Israels Völkermord an den Palästinensern fortgesetzt wird. Wörtlich erklärte er: „Ich sage den amerikanischen Staatsmännern, die jetzt den Völkermord in Palästina organisieren, ganz offen, dass wir eine Ausweitung des Kriegs in der Region nicht begrüßen. Aber wenn der Völkermord im Gazastreifen weitergeht, werden sie von diesem Feuer nicht verschont bleiben.“

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Jüdische Intellektuelle fordern die „Freiheit der Andersdenkenden“

Von Marianne Arens – 27. Oktober 2023

Gegen den planmäßigen Genozid an den Palästinensern im Gazastreifen gehen seit Tagen weltweit Hunderttausende auf die Straße. In Deutschland hat die Regierung, die den Krieg des Netanjahu-Regimes gegen die Palästinenser unterstützt, jede Opposition im eigenen Land gegen dieses völkermörderische Vorgehen verboten.

Ein ermutigendes Zeichen ist ein Offener Brief, den mehr als hundert jüdische Künstler, Schriftsteller und Wissenschaftler unterzeichnet haben, um die Solidaritätsäußerungen mit den Palästinensern in Deutschland in Schutz zu nehmen. „Für die Freiheit der Andersdenkenden“, lautet der Titel dieses Offenen Briefs, der bei n+1 auf Englisch und auf der Homepage der taz auf Deutsch erschienen ist.

Der Brief trägt die Unterschriften von 110 Unterzeichnenden, darunter jüdische Schriftsteller, Dichter, Journalisten und Verleger, Wissenschaftler, Lehrkräfte und Professoren, Filmemacher, Theater- und Radiomacher, Fotografen und Fotojournalisten, Musiker und Komponisten, bildende Künstler, Designer, Tänzer und Choreographen. Sie alle „verurteilen in diesem Schreiben das beunruhigende Vorgehen gegen die demokratische Öffentlichkeit nach den schrecklichen Gewalttaten in Israel und Palästina in diesem Monat“, wie es im ersten Absatz heißt.

Eingangs kritisieren sie auch die „terroristischen Angriffe auf Zivilisten in Israel“, denn: „Viele von uns haben Familie und Freunde in Israel, die von dieser Gewalt direkt betroffen sind.“ Doch dann heißt es klar und deutlich: „Mit gleicher Schärfe verurteilen wir die Tötung von Zivilisten in Gaza.“

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44 Seiten Sprachregelung der ARD zum Nahostkonflikt – ein unglaublicher Skandal

Von Albrecht Müller – 27. Oktober 2023

Man soll nichts dem Zufall überlassen und schon gar nicht dem Verstand der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. So denkt offensichtlich die Spitze der öffentlich-rechtlichen und von uns Beitragszahlern bezahlten ARD. Mir liegt ein Papier vor mit dem Titel „Glossar Berichterstattung Nahostkonflikt. Zur internen Nutzung. Stand 18.10.2023“ – Dieses soll offensichtlich dazu dienen, die Journalistinnen und Journalisten der in der ARD zusammengeschlossenen Sendeanstalten auf eine der Sprachregelung entsprechenden Berichterstattung und Kommentierung zu trimmen. … Die Texte sprechen für sich selbst und gegen das Demokratieverständnis der ARD:

Auf den Seiten 3 und 4 lesen wir das Folgende:

Glossar Berichterstattung Nahostkonflikt (zur internen Nutzung)

Wie macht es die Tagesschau? (E-Mail-Auszüge, 9.10.2023)

„(…) nach unserem Austausch in der 10:30 Uhr heute noch mal ein Blick auf die Formulierungen in der Berichterstattung über Nahost. Wie bereits gestern geschrieben, müssen wir das von Tag zu Tag anschauen, beispielsweise ob und wie wir das Wort „Krieg“ verwenden. Heute gibt es diese Hinweise und Bitten:

Wir sprechen weiterhin von „Angriff/en aus Gaza auf Israel“ oder „Terrorangriff/e auf Israel“. Es kann aber auch „Krieg gegen Israel“ verwendet werden.

Was unbedingt vermieden werden muss, sind Worte wie „Gewaltspirale“ – und auch „Eskalation in Nahost“ beschreibt die aktuelle Lage seit Samstag nicht ausreichend. Die Situation ist komplexer.

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Auswärtiges Amt in Erklärungsnot: Welcher Völkerrechts-Artikel legitimiert die Bombardements von Gaza?

Von Florian Warweg – 27. Oktober 2023

Artikel 51 der UN-Charta legitimiert das Selbstverteidigungsrecht eines Staates nur im Fall des Angriffs durch einen anderen Staat. Dies zudem nur, bis der UN-Sicherheitsrat über die getroffenen Maßnahmen informiert und eine Entscheidung über deren Recht- wie Verhältnismäßigkeit getroffen wurde. Doch weder der Gazastreifen noch die Hamas gelten im völkerrechtlichen Verständnis als staatliche Akteure. Die immer wieder von der Bundesregierung wiederholte Rechtfertigung, Israel habe nach den Angriffen der Hamas vom 7. Oktober das „völkerrechtlich verbriefte Recht auf Selbstverteidigung“, kann also zumindest nicht über Artikel 51 legitimiert werden. Vor diesem Hintergrund fragten die NachDenkSeiten bei der Bundespressekonferenz nach. Der Antwortversuch des Auswärtigen Amts geriet nicht wirklich überzeugend. Egal ob Tausende Wohngebäude zerstört, Tausende Kinder getötet oder UN-Schulen und medizinische Einrichtungen im Gazastreifen dutzendfach von der israelischen Armee bombardiert werden, die Standardantwort der Bundesregierung auf Fragen, ob dieses Vorgehen völkerrechtskonform ist, lautet seit rund drei Wochen: „Israel hat das völkerrechtlich verbriefte Recht, sich gegen diesen massiven Terrorangriff der Hamas zu verteidigen.“

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„Es braucht eine tragfähige Lösung für Israelis und Palästinenser“. Frieden gibt es nur auf der Grundlage des Völkerrechts

Interview mit Prof. Dr. iur. et phil. Alfred de Zayas, Völkerrechtler und ehemaliger UNO-Mandatsträger – 26. Oktober 2023

… Zunächst muss man ganz klar sagen, dass jedes Opfer dieses Krieges eines zu viel ist und zu bedauern ist – jedes Leben, das geopfert worden ist, jede Verletzung und Verstümmelung – sowohl die erlittenen Verluste bei den Israelis als auch bei den Palästinensern: Touristen, Kinder, Greise. Es gibt eine Priorität: Die USA müssen alles tun, um einen Waffenstillstand zu vermitteln und um einen gerechten Frieden zu ermöglichen. Grundsätzlich haben wir einen schon lang andauernden, ungelösten Konflikt: den Kampf der Palästinenser für ihre Selbstbestimmung und für ihre Befreiung von unmenschlichen Lebensbedingungen und Unterdrückung. Dieser Konflikt währt schon mehr als ein halbes Jahrhundert. Die Palästinenser – und das ist unabhängig von der Hamas – wollen einen eigenen Staat in garantierten Grenzen. Wäre die Hamas nur gegen das israelische Militär vorgegangen, könnte man das als Kampf gegen Unterdrückung legitimieren. Das wäre im Einklang mit der Uno-Charta. Aber das gezielte Töten von Zivilisten ist ein Kriegsverbrechen, ein terroristischer Akt, und durch nichts zu rechtfertigen, auch dann nicht, wenn die Gegenseite auch so handeln würde. Dass es in einem Krieg immer auch Unschuldige trifft, ist kaum zu verhindern. Deshalb ist ein Krieg im Grunde genommen nicht zu führen, und Konflikte muss man immer mit friedlichen Mitteln lösen. Wenn aber klar ist, dass mehrere Hunderte oder gar Tausende von Zivilisten auf beiden Seiten aufgrund der Kriegsführung zu Tode kommen, ist das ebenfalls scharf zu verurteilen. Die Hauptaufgabe der Uno ist es, eben solche Konflikte zu vermeiden und dafür zu sorgen, dass feste Vereinbarungen wie zum Beispiel die Osloer Abkommen eingehalten werden. Das Nichteinhalten von Vereinbarungen wie diejenigen von Oslo I und II oder Minsk führt unweigerlich zu Gewalt.

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Selbst die RAND Corporation erklärt Israels Strategie in Gaza für falsch und gescheitert

Von Raphael S. Cohen – 26. Oktober 2023

Die RAND Corporation, eine weltberühmte US-amerikanische Forschungs- und Beratungsfirma, rühmt sich, in gut 50 Ländern 1800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu beschäftigen, die insgesamt in über 75 Sprachen forschen und kommunizieren können und von denen über tausend, also mehr als die Hälfte, über ein Doktorat oder sogar mehrere Doktorate verfügen. RAND ist also nicht einfach einer von unzähligen so genannten Thinktanks. Und was zu beachten besonders wichtig ist: RANDs beste Kunden sind das US-State Department (also das US-Außenministerium) und das US-Militär: die US-Army, die US-Air Force und das US-Department of Homeland Security. Diese staatlichen Kunden zahlen mehr als die Hälfte aller RAND-Einnahmen. Jetzt hat RAND auf ihrer Website ein vernichtendes Urteil über die israelische Strategie veröffentlicht.

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[Zum Originalbeitrag auf der Website der RAND Corporation]

In welcher Welt lebt António Guterres?

Von Pedro Tadeu – 26. Oktober 2023

Ein Eklat zwischen Israels Außenminister und dem UN-Generalsekretär sorgte für Aufregung. Unser Autor greift eine zentrale Frage auf. Sein Kommentar stimmt nachdenklich. – Viele Leser dieses Textes wird die Nachricht über einen Eklat vor dem UN-Sicherheitsrat am Dienstag dieser Wiche schon erreicht haben: Der israelische Außenminister fragte den UN-Generalsekretär António Guterres: „In welcher Welt leben Sie?“ Der Botschafter des Landes bei den Vereinten Nationen forderte später sogar den sofortigen Rücktritt des Portugiesen. Die israelische Empörung wurde durch die Erklärung von Guterres vor dem Sicherheitsrat ausgelöst, dass „das palästinensische Volk seit 56 Jahren unter einer erdrückenden Besatzung leidet“. Ihr Land sei ständig durch Siedlungen und Gewalt verwüstet, ihre Wirtschaft zerstört, ihre Bevölkerung vertrieben und ihre Häuser zerstört worden, so Guterres weiter. Es ist erwähnenswert, dass Guterres betonte, dass „das Leiden des palästinensischen Volkes die schrecklichen Angriffe der Hamas nicht rechtfertigen kann“. Diese Angriffe wiederum könnten auch nicht die „eindeutigen Verletzungen des Völkerrechts in Gaza“ rechtfertigen, die Israel begehe und die das palästinensische Volk zum Opfer mache. Dies veranlasste den israelischen Außenminister zu der Aussage, Guterres betrachte „das von den Nazi-Terroristen der Hamas verübte Massaker in einer verzerrten und unmoralischen Weise“. Er brachte den Namen des UN-Generalsekretärs mit einer beachtlichen Selbstgefälligkeit mit dem Holocaust in Verbindung. Die Frage des israelischen Politikers ist dennoch sehr interessant: In welcher Welt lebt António Guterres?

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