Man redet über Auschwitz, aber schweigt über Leningrad. Man gedenkt der Befreiung, aber nicht ihrer Befreier

Von Sabiene Jahn – 6. Mai 2025

Ein Stuhl bleibt leer, wenn am 8. Mai 2025 der 80. Jahrestag des Kriegsendes begangen wird. Sergei Netschajew, der russische Botschafter, ist ausgeschlossen – ausgeladen durch eine Handreichung des Auswärtigen Amts, das ihn und Vertreter Belarus’ als unerwünscht erklärt. Die russische Botschaft spricht von einem „anmaßenden Eklat“, erinnert an 27 Millionen gefallene Sowjetbürger und fordert, den Genozid an den Völkern der UdSSR anzuerkennen.

Während Berlin-Treptow seine Tore für russische Diplomaten öffnet, droht Brandenburg mit polizeilicher Räumung. Dieser leere Stuhl ist mehr als ein Platz, der unbesetzt bleibt: Er flüstert von einem Anwalt in Koblenz, der unbequeme Wahrheiten mit einem Lächeln abtut. Von einem Handwerker, der über die Krim stolpert und spürt, dass etwas in den Erzählungen nicht stimmt. Von einer Ukrainerin in Deutschland, die ihre Wahrheit über Hass und Gewalt in ihrer Heimat nur im Schatten wagt zu teilen.

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Alte Fragen und alte Rezepte: Finnlands Fortsetzungskrieg

Von Ralph Bosshard – 6. Mai 2025

Im Zuge des aktuellen, europäisch-russischen Kriegs – und um solch einen handelt es sich beim Krieg in der Ukraine de facto mittlerweile – ist Europa auf der Suche nach Rezepten im Umgang mit Russland und stöbert in der Geschichte. Derzeit wird das Beispiel Finnlands im Zweiten Weltkrieg als Blaupause für die Zukunft angepriesen. Wer etwas tiefer gräbt, dem kommen aber Zweifel an der Eignung Finnlands als Beispiel. Kommentatoren, die solches empfehlen, demonstrieren regelmäßig eher ihr Halbwissen und ihre Ratlosigkeit.

Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war für Finnland eine turbulente Zeit: Zwar hatte sich das Land nicht am Ersten Weltkrieg beteiligen müssen – es war mit dem Russischen Imperium nur dadurch verbunden, dass die russischen Zaren in Personalunion Großfürsten von Finnland waren – aber es geriet danach in den Strudel des russischen Bürgerkriegs. Finnische Kommunisten versuchten mit Unterstützung der roten Zaren in Moskau ihr Land zur Räterepublik nach dem Vorbild der Sowjetunion zu machen, während finnische Nationalisten Theorien von angeblich verwandten Völkern spannen und von einem Großfinnland träumten, das weit über sämtliche Grenzen hinausging, die Finnland in seiner Geschichte je gesehen hatte.

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Die Rüstungsregierung im Amt

Von German-Foreign-Polcy.com – 6. Mai 2025

Bundeswehr und Rüstungs-Startups dringen auf rasche Aufrüstung der Bundeswehr mit Satellitenkonstellationen, Kamikazedrohnen – darunter KI-gesteuerte – und Kampfrobotern. Hochburg deutscher Rüstungs-Startups ist München.

Die neue Bundesregierung soll so rasch wie möglich neue Rüstungsvorhaben beschließen und dabei insbesondere High-Tech-Projekte berücksichtigen. Darauf dringen Bundeswehr und Teile der Rüstungsbranche, insbesondere junge Startups mit militärischem Schwerpunkt. So fordert die Bundeswehr die Beschaffung einer kompletten Satellitenkonstellation, die hunderte einzelne Satelliten umfassen und bis zu zehn Milliarden Euro kosten könne. Zudem hat die Truppe die Beschaffung von Kampfdrohnen eingeleitet, darunter Kamikazedrohnen, die mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI) gesteuert werden; feindliche Störsender sollen ihnen nichts mehr anhaben können. Eines der Startups, das auf einen Bundeswehr-Auftrag hoffen kann, will zudem einen „Drohnenwall“ an der NATO-Ostgrenze errichten. Einer der Gründer des Unternehmens arbeitete zuvor bei McKinsey und war in dessen Auftrag im Bundesverteidigungsministerium unter der heutigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen tätig. Mit den McKinsey-Aktivitäten in dem Ministerium war ein Untersuchungsausschuss des Bundestags befasst. Deutsche Rüstungs-Startups arbeiten inzwischen sogar daran, Insekten zur Kriegsführung zu nutzen – etwa Kakerlaken.

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Fehlstart der Merz-Regierung

Von Peter Schwarz – 6. Mai 2025

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz ist am Dienstag erst im zweiten Wahlgang zum deutschen Bundeskanzler gewählt worden. Und dies nur dank der Hilfe der Linkspartei und der Grünen. Im ersten Wahlgang war Merz gescheitert, weil nur 310 der 328 Bundestagsabgeordneten der Regierungskoalition aus Union und SPD für ihn stimmten. Für die Wahl waren 316 Stimmen erforderlich, die Mehrheit aller Abgeordneten.

Etwas Ähnliches hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben. Bisher wurden sämtliche Bundeskanzler im ersten Wahlgang gewählt. Doch obwohl CDU, CSU und SPD sich in wochenlangen Verhandlungen auf einen 144-seitigen Koalitionsvertrag geeinigt haben, der von den zuständigen Parteigremien verabschiedet wurde, gelang es Merz nicht, die nötige Zahl von Abgeordneten hinter sich zu bringen.

Damit der zweite Wahlgang noch am selben Tag stattfinden konnte, war Merz auf die Unterstützung der Linkspartei und der Grünen angewiesen. Beide zeigten sich entschlossen, ihm so schnell wie möglich ins Amt zu verhelfen, damit er die Lage stabilisieren und das rechte Koalitionsprogramm verwirklichen kann.

Die Geschäftsordnung des Bundestags sieht für den zweiten Wahlgang eine Frist von drei Tagen vor, die nur durch zwei Drittel der Abgeordneten verkürzt werden kann. Die Linke und die Grünen brachten gemeinsam mit den Regierungsparteien einen entsprechenden Antrag ein, dem am Ende auch die AfD zustimmte. Im zweiten Wahlgang votierten dann 325 Abgeordnete für Merz, der am Abend als Bundeskanzler vereidigt wurde.

Der Fehlstart der Merz-Regierung wirft ein grelles Licht auf die wirklichen politischen Verhältnisse in Deutschland. Seine Regierung ist nicht nur die rechteste, sondern auch die unpopulärste seit dem Zweiten Weltkrieg.

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SPD und Union unterzeichnen reaktionären Koalitionsvertrag und wählen Merz im zweiten Wahlgang

Von Johannes Stern – 6. Mai 2025

Am Dienstagnachmittag wurde Friedrich Merz (CDU) im zweiten Wahlgang gewählt und anschließend von Bundespräsident zum neuen Bundeskanzler ernannt.

Im ersten Urnengang war Merz zunächst gescheitert – ein einmaliger Vorgang in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Bei 621 anwesenden Abgeordneten fehlten Merz sechs Stimmen zur erforderlichen Kanzlermehrheit von 316 Stimmen, 310 Abgeordnete stimmten für, 307 gegen ihn, es gab drei Enthaltungen, eine Stimme war ungültig – neun Abgeordnete beteiligten sich nicht an der Abstimmung.

Merz‘ unerwartete Nichtwahl hatte in allen Bundestagsparteien fieberhafte Nervosität ausgelöst. Schließlich einigten sich die Bundestagsparteien darauf, noch am gleichen Tag einen zweiten Wahlgang anzusetzen.

Kurz vor der Abstimmung verkündete der notorisch rechte Unionsfraktionschef Jens Spahn, man werde im Einvernehmen der Fraktionen von Union, SPD, Grünen und Linkspartei einen neuen Wahlgang durchführen. Ganz Europa, vielleicht sogar die ganze Welt schaue auf diese Wahl. Dann bedankte er sich bei allen, die einen zweiten Wahlgang so rasch möglich gemacht hätten.

Deutlicher könnte sich die Rolle von Linkspartei und Grünen als im Kern rechte, staatstragende Regierungsparteien nicht zeigen: im Angesicht einer drohenden politischen Krise in Berlin spielten sie die Schlüsselrolle dabei, Merz zu installieren und seiner extrem rechten Regierung den Weg zu ebnen.

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Verpatzte Kanzlerwahl: Was bedeutet das Scheitern von Merz bei der Wahl im Bundestag?

Von Thomas Röper – 6. Mai 2025

Friedrich Merz hat im ersten Wahlgang nicht die für eine Kanzlerwahl nötige Mehrheit bekommen. Die Reaktionen in Deutschland reichen von Häme bei der AfD bis zu betroffenem Schock bei den Blockparteien CDU/CSU, SPD und Grünen. Aber was bedeutet die verpatzte Wahl tatsächlich?

Um zum Bundeskanzler gewählt zu werden, hätte Friedrich Merz 316 Stimmen bekommen müssen. Eigentlich hätte das bei einer Mehrheit der Koalition aus CDU/CSU und SPD von 328 Stimmen kein Problem sein sollen, aber es kam anders und Merz bekam nur 310 Stimmen. Es gab als ganze 18 Abweichler. Damit wurde einem neuen Kanzler zum ersten Mal in der deutschen Geschichte die Gefolgschaft bei seiner Wahl verwehrt. [Im zweiten Wahlgang erhielt Merz dann in geheimer Abstimmung 325 Ja-Stimmen und damit neun mehr als die nötige Mehrheit von 316; die GG-Red.]

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Hochstufung der AfD durch Verfassungsschutz-Gutachten war mit Merz und Dobrindt abgesprochen

Von Florian Warweg – 6. Mai 2025

In ihren buchstäblich letzten Amtstagen hatte Innenministerin Nancy Faeser die Ergebnisse eines Gutachtens des deutschen Inlandsgeheimdienstes veröffentlicht, laut dem die AfD jetzt „als gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ gilt. Das Innenministerium (BMI) hatte in diesem Zusammenhang öffentlich verneint, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) gegenüber dem BMI weisungsgebunden sei. Vor diesem Hintergrund wollten die NachDenkSeiten wissen, ob das BMI wirklich die Position vertritt, dass das BfV nicht weisungsgebunden sei, ob die Veröffentlichung mit dem künftigen Kanzler Merz und Innenminister Dobrindt abgesprochen war und ob das BMI das Durchstechen des Gesamtgutachtens zu Medien wie dem Spiegel, welches als geheime Verschlusssache eingestuft wurde, als Straftat bewertet und entsprechende Schritte einleiten wird.

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Vernichtungskrieg: Israel will die Palästinenser ausrotten, aber keine Kritik in deutschen Medien

Von Thomas Röper – 6. Mai 2025

Israel hat verkündet, dass es den Gazastreifen einnehmen will und in deutschen Medien gibt es keine ernsthafte Kritik an diesem offenen Völkermord und der ethnischen Säuberung. Immerhin lässt Israel seit Monaten keine Hilfslieferungen mehr nach Gaza und die Menschen sterben außer an Bomben auch an Hunger und Durst.

In der Nacht auf Montag hat die israelische Regierung verkündet, sie wolle die vollständige militärische Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen. Das verkündete Ziel ist es, die Hamas endgültig auszuschalten und die Freilassung der noch festgehaltenen Geiseln zu erzwingen. Für die Offensive wurden zehntausende Reservisten einberufen, die zum Teil reguläre Truppen ablösen sollen, die an der Nordgrenze oder im Westjordanland stationiert sind. Diese erfahrenen Einheiten sollen dann für die Offensive in den Gazastreifen verlegt werden.

Außerdem will die israelische Regierung auch die Verteilung humanitärer Hilfe „neu organisieren“. Die Formulierung ist ein Hohn, denn derzeit gibt es keine humanitäre Hilfe für Gaza, weil Israel sie komplett blockiert hat. Seit Israel die fast zweimonatige Waffenruhe am 18. März gebrochen hat, lässt das israelische Militär keine humanitären Hilfslieferungen mehr in den Gazastreifen, in dem etwa zwei Millionen Menschen leben. Es kommen also weder Nahrungsmittel noch Trinkwasser oder Medikamente durch. Nach Uno-Angaben hungern die Menschen dort und Krankenhäuser können Verwundete und Kranke nicht mehr versorgen.

Schon im März 2024 hat die UNO die ersten Hungertoten in Gaza gemeldet. Da die Lage inzwischen viel schlimmer geworden ist, kann man nur raten, wie viele Menschen bereits durch Hunger und Durst gestorben sind.

Ich spreche daher bewusst davon, dass Israel in Gaza einen Völkermord verübt, und zwar mit offener Unterstützung des Westens und speziell der deutschen Regierung. Dass Israels Vorgehen gemäß der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes von 1948 schon lange die Tatbestände des Völkermordes erfüllt, ist schnell und für jeden verständlich erklärt, denn die Konvention definiert Völkermord in Artikel II als „eine der folgenden Handlungen, begangen in der Absicht, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören …

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„Keine Ahnung“: Trump lehnt in NBC-Interview Rechtsstaatlichkeit und Verfassung ab

Von Jacob Crosse – 6. Mai 2025

Die NBC-Sendung Meet the Press zeigte am Sonntag ein einstündiges Interview mit US-Präsident Donald Trump, in dem er in Frage stellte, ob alle Menschen in den Vereinigten Staaten Anspruch auf den Schutz der Verfassung haben, einschließlich des Rechts auf einen ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren. Er beschwerte sich, die Möglichkeit, dass Einwanderer vor Gericht erscheinen dürfen, behindere seine Pläne zur Abschiebung von Millionen von ihnen als Teil eines umfassenden und brutalen Durchgreifens, das auch die Abschiebung in ausländische Gulags vorsieht.

Als NBC-Moderatorin Kristen Welker fragte, ob er glaube, dass „alle Menschen“ in den USA einen Anspruch auf ein ordnungsgemäßes Verfahren haben, antwortete Trump: „Keine Ahnung. Ich bin – ich bin kein Anwalt. Ich habe keine Ahnung.“

Welker antwortete: „Nun, das steht so im 5. Zusatzartikel.“

Trump antwortete:

„Keine Ahnung. Scheinbar – könnte sein, dass es das sagt, aber das hieße ja dann, es müsste eine Million, oder zwei oder drei Millionen Prozesse geben.“

Genau wie bei allen öffentlichen Auftritten verunglimpfte Trump auch diesmal alle Einwanderer als Gewaltverbrecher:

„Wir haben hier Tausende, manche sind Mörder, einige Drogendealer und einige die schlimmsten Menschen auf der Welt.“

Trump argumentierte, er sei „gewählt worden, um sie endlich wegzuschaffen, und die Gerichte hindern mich daran“.

Daraufhin fragte Welker:

„Müssen Sie als Präsident nicht die Verfassung der Vereinigten Staaten verteidigen?“

Trump antwortete:

„Keine Ahnung. Ich muss nochmal sagen, dass ich brillante Anwälte habe, die für mich arbeiten, und sie werden sich offensichtlich daran halten, was der Oberste Gerichtshof gesagt hat.“

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Millionen Jobs in Gefahr: Trumps Zollkrieg trifft China und die US-Wirtschaft

Von Nick Beams – 5. Mai 2025

Die Auswirkungen von US-Präsident Trumps Zollkrieg gegen China beginnen sich in den Wirtschaftsdaten beider Länder niederzuschlagen, begleitet von Befürchtungen, dass es in den kommenden Monaten noch weitaus schlimmer kommen könnte.

Am Mittwoch gab das US-Handelsministerium bekannt, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal auf das Jahr hochgerechnet um 0,3 Prozent geschrumpft ist. Dies ist größtenteils auf den Versuch der Unternehmen zurückzuführen, sich mit Waren einzudecken, bevor die Zölle von 145 Prozent gegen China – eine faktische Wirtschaftsblockade – in Kraft treten.

In China zeigen die offiziellen Daten eine Kontraktion der Produktionstätigkeit und einen Einbruch der Exportaufträge auf den niedrigsten Stand seit dem durch COVID-19 verursachten Rückgang im Jahr 2022.

Das US-BIP wird berechnet, indem die Importe von der Summe aus Staatsausgaben, Exporten, Investitionen und Konsumausgaben abgezogen werden. Die Importe stiegen im ersten Quartal um 41 Prozent und das Handelsdefizit erreichte im März einen Rekordwert von 162 Milliarden US-Dollar.

Während der Anstieg der Importe der Hauptfaktor war, zeigten auch die Konsumausgaben eine Abschwächung: Sie wuchsen nur um 1,8 Prozent – der geringste Anstieg seit Mitte 2023. Auch die Staatsausgaben gingen zurück, da Kürzungen im Rahmen der „Department of Government Efficiency“ (DOGE) Maßnahmen zu Arbeitsplatz- und Auftragsverlusten führten.

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