Oberstes Gericht von Alabama schreibt Embryonen Persönlichkeitsrechte zu. Ein umfassender Angriff auf demokratische Rechte und die Wissenschaft

Von Patrick Martin- 23. Februar 2024

Vergangenen Freitag entschied der Oberste Gerichtshof von Alabama, dass tiefgefrorenen Embryonen nach dem Recht dieses US-Bundesstaats Persönlichkeitsrechte zustehen. Das Urteil ist ein umfassender Angriff auf die Wissenschaft, die demokratischen Rechte und die verfassungsmäßige Trennung von Kirche und Staat. Die passive, gleichgültige Reaktion der Regierung Biden auf diese rechtsextreme Provokation beweist erneut, dass kein Teil der kapitalistischen Elite, auch nicht die Demokratische Partei, demokratische Rechte verteidigt. Diese wichtige politische Aufgabe fällt der Arbeiterklasse zu.

Dem Urteil des Obersten Gerichtshofs von Alabama ging eine Zivilklage von Eltern voraus, deren Embryonen in dem Labor, in dem sie für eine In-vitro-Fertilisation (IVF) gelagert wurden, versehentlich zerstört worden waren. Ein vorinstanzliches Gericht hatte die Klage abgewiesen und entschieden, dass ein Embryo kein „ungeborenes Kind“ im Sinne der bundesstaatlichen Verfassung sei.

In Alabama hatte sich in einem Referendum 2018 die Mehrheit der Wähler für ein Abtreibungsverbot in der Verfassung ausgesprochen. Dies wurde umgesetzt, nachdem der Oberste Gerichtshof der USA 2022 ein Urteil gefällt hatte, mit dem das Recht auf Abtreibung abgeschafft wurde.

Im aktuellen Fall nun hob der Oberste Gerichtshof von Alabama die Entscheidung der vorgelagerten Instanz auf und erklärte in Orwellscher Sprache, dass befruchtete Eizellen „extrauterine Kinder“ seien, die denselben Schutz genießen wie beispielsweise ein Schulkind.

Das Urteil ist ein rechtlicher und verfassungsrechtlicher Skandal. Ein Gesetz aus dem Jahr 1872, wonach Eltern wegen des Todes eines „minderjährigen Kindes“ Klage vor Gericht erheben können, wurde auf Embryonen angewandt, die durch In-vitro-Fertilisation (IVF) erzeugt wurden – eine medizinische Technik, die erst in den 1970er Jahren, also mehr als 100 Jahre später, entwickelt wurde.

In der Praxis bedeutet dies das Ende der In-vitro-Fertilisation im Bundesstaat Alabama. Ärzte, Kliniken und Eltern müssen nun befürchten, für die Vernichtung von Embryonen haftbar gemacht zu werden. Bei der künstlichen Befruchtung kommt dies häufig vor, da mehr Embryonen erzeugt als eingepflanzt werden. Überschüssige Embryonen oder solche mit genetischen Anomalien werden im Allgemeinen vernichtet oder für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt. Als Reaktion auf das Urteil hat das größte Krankenhaus des Bundesstaats, die Universitätsklinik in Birmingham, alle IVF-Behandlungen eingestellt, weil sie befürchtet, dass „unsere Patienten und Ärzte strafrechtlich verfolgt werden könnten“.

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Weihnachten ohne Russen

Von Ulrich Heyden – 21. November 2023

Die Bundesregierung baut fleißig an einer Mauer gegen Russland. Für Russen, die nach Deutschland wollen, gibt es seit Ende 2022 verschärfte Visa-Bestimmungen. Das heißt monatelange Wartezeiten, bürokratische Entwürdigungen, Umwege auf dem Weg nach Deutschland und erhöhte Kosten.

Ach, was waren das für herrliche Zeiten! Anfang der 1990er-Jahre wurden in Berlin auf den Straßen russische Militär- und Fellmützen verkauft. Eine russische Mütze zu tragen war keine Schande, sondern Spaß. Alle waren im Russland-Rausch. In Intellektuellen-Kreisen war Wodkatrinken angesagt. Und dann zogen die Russen auch noch ihre Truppen ab!

30 Jahre später ist die Stimmung der 1990er in ihr Gegenteil gekippt. Ohne Protest aus der deutschen Zivilgesellschaft hat der deutsche Staat verschärfte Visa-Bestimmungen für Russen eingeführt. Die Folgen sind für den russischen Tourismus fatal. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gab es von Januar bis Mai 2023 nur 52.000 russische Touristen in Deutschland. Im Jahr 2019 waren es im gleichen Zeitraum noch 365.000 russische Touristen.

Reisende können zur Völkerverständigung beitragen. Aber eben das scheint nicht erwünscht. Über Russen will man in Deutschland heute nur noch abstrakt reden. Lebende Vertreter der russischen Gesellschaft tauchen deshalb auch nicht in Fernsehtalkshows auf. Auch der Kreis der Deutschen, die wissen, wie man in Russland heute lebt, wird immer kleiner. Das ist gut für die Rüstungskonzerne. Die können so besser das Feindbild pflegen.

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Regierung und Medien drohen der Documenta mit dem Aus

Von Sybille Fuchs und Verena Nees – 19. November 2023

Während im Gaza-Streifen ein regelrechter Völkermord an den palästinensischen Bewohnern stattfindet, der Millionen Menschen auf der ganzen Welt fassungslos auf die Straßen treibt, entwickelt sich die offizielle Kulturpolitik Deutschlands zu einem schamlosen Instrument der Kriegspolitik. Kulturfunktionäre, Journalisten und Politiker überbieten sich mit bizarren Verdrehungen und Lügen, um den massenhaften Mord an Kindern, Alten und Frauen, die Bombardierung von Krankenhäusern, das Abschalten von Strom, Wasserzufuhr und Nahrungsmitteln für 2,3 Millionen Menschen als „Selbstverteidigung Israels“ darzustellen. Sie benutzen in einer grotesken Umkehr der Begriffe den Vorwurf des „Antisemitismus“, um Kultur und Kunst einer aggressiven deutschen Großmachtpolitik zu unterwerfen und Kriegsverbrechen zu rechtfertigen.

In diesen Tagen richtet sich diese abstoßende Kampagne erneut gegen die Documenta in Kassel, die bereits im vergangenen Jahr attackiert wurde. Dieser international bedeutendsten Ausstellung zeitgenössischer Kunst droht nun sogar das Aus. Kulturstaatsministerin Claudia Roth von den Grünen hat den Stopp der finanziellen Mittel angedroht.

In der zweiten Novemberwoche inszenierten die Medien, angeführt von der Süddeutschen Zeitung, eine schrille Verleumdungskampagne gegen den namhaften indischen Autor und Kulturwissenschaftler Ranjit Hoskoté, der zu einer sechsköpfigen Findungskommission gehörte, die eine neue künstlerische Leitung für die nächste Ausstellung im Jahr 2027, die 16. Documenta, finden sollte. Die bisherige Geschäftsführerin Sabine Schormann war während der Documenta 15 im vergangenen Jahr zurückgetreten, nachdem rechte zionistische Kreise das indonesische Kuratorenteam Ruangrupa als „antisemitisch“ angegriffen hatten. Ihr Nachfolger wurde Andreas Hoffmann.

Nachdem am 9. November in der SZ ein Artikel von Nele Pollatschek die erneute Debatte angestoßen hatte, legte der Kulturkorrespondent der SZ in New York, Jörg Häntzschel, nach. Ranjit Hoskoté, so die Beschuldigung, habe im August 2019 einen „antisemitischen“ Aufruf unterzeichnet, den auch Vertreter der Boykott-Kampagne BDS gegen Israel unterstützt hätten. „Antisemitisch“ sei es, den Zionismus als „rassistische Ideologie“ zu bezeichnen, „die einen Siedlerkolonial- und Apartheidstaat fordert, in dem Nicht-Juden ungleiche Rechte haben, und die in der Praxis seit sieben Jahrzehnten auf der ethnischen Säuberung der Palästinenser beruht“.

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Interview mit Udi Raz über ihre Entlassung im Jüdischen Museum

Interview: Tamino Dreisam – 19. November 2023

„Wie gerade mit Antisemitismusvorwürfen umgegangen wird, ist an sich schon antisemitisch.“

Vor wenigen Wochen entließ das Jüdische Museum in Berlin mit Udi Raz eine seiner Guides, weil sie die Wahrheit über den Staat Israel ausgesprochen und ihn während ihrer Führungen als Apartheidstaat bezeichnet hatte. Die WSWS berichtete bereits über den Fall und hatte nun die Möglichkeit, auch direkt mit Udi Raz zu sprechen. Raz ist Vorstandsmitglied des Berliner Vereins Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden im Nahen Osten.

WSWS: Kannst du etwas genauer von dem Vorfall berichten? Wieso wurdest du entlassen? Udi Raz: Ich habe den Begriff Apartheid benutzt, um die menschenrechtliche Lage im Westjordanland zu bezeichnen. Ich arbeite im Jüdischen Museum seit Anfang dieses Jahres. Es gab immer wieder Austausch zwischen der Museumsbildungsabteilung und mir, wo immer argumentiert wurde, man solle den Begriff lieber vermeiden, da das wissenschaftlich umstritten sei. Dann habe ich immer wieder Argumente geliefert, die eigentlich die Weiternutzung des Begriffs unterstützen. Aber letztendlich meinte die Bildungsabteilung, man dürfe den Begriff nur dann benutzen, wenn man wirklich ein Gespür hat, ob die Gruppe den Begriff oder den Diskurs auch versteht und den Begriff richtig einordnen kann – also historisch, geopolitisch, geographisch und so weiter und so fort. Das habe ich auch so angewendetiDas habe ich auch so angewendet. Allerdings ist die Leiterin der Bildungsabteilung des Museums einmal mit mir mitgegangen durch eine Führung, wo ich den Begriff entsprechend benutzt habe. Ich habe ihn nur benutzt, weil ich das Gespür hatte, dass die Gruppe das auch richtig einordnen kann. Das konnte sie auch und es gab auch viel Lob dafür, dass ich die Situation der menschenrechtlichen Lage im Westjordanland so ausführlich und differenziert beschrieben habe. … Die Leiterin der Bildungsabteilung hat zwar mehrfach unterstrichen, dass ich sehr viel Lob bekommen habe und dass ich eine der am meisten gelobten Guides im Museum bin, aber da ich den Begriff erneut verwendet habe, dürfe ich keine weiteren Aufträge mehr bekommen.

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Bitte keine Auftritte von kritischen Künstlern in der Stadt Trier

Von Marcus Klöckner – 7. November 2023

„Man hat mir vonseiten der Stadt sehr deutlich versucht, zu zeigen, wo mein Platz im Gefüge ist. Dumm nur, dass ich den nicht akzeptiere. Ich habe meine Selbstachtung zu verlieren, ich würde niemals einen Kollegen canceln, weil er ‚die falsche Meinung‘ hat“. Das sagt die Veranstalterin und Schauspielerin Joya Ghosh im Interview mit den NachDenkSeiten zum Verhalten der Stadt Trier, wo es den Versuch gab, den Auftritt kritischer Künstler zu verhindern. – Worum geht es? Markus Nöhl, Kulturdezernent der Stadt Trier, wollte den Auftritt des Sängers Jens Fischer Rodrian und des Kabarettisten Ulrich Masuth bei einem Friedensfestival verhindern, das noch bis 14. Dezember dort stattfindet. Ein Friedensfestival, das zum Politikum wird? Wegen „falscher“ Meinungen und zu viel Regierungskritik?

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Das Jüdische Museum Berlin entlässt Mitarbeiter wegen Bezeichnung Israels als Apartheidstaat

Von Stefan Steinberg – 5. November 2023

Das weltberühmte Jüdische Museum in Berlin hat einen seiner Guides entlassen, weil er die Wahrheit über den Staat Israel gesagt hat. Der Museumsführer Udi Raz, der seine Entlassung öffentlich auf Instagram bekanntgab, hatte Israel während seiner Führungen als Apartheidstaat bezeichnet. In seinem Instagram-Eintrag erklärte er: „Ich habe den Begriff ,Apartheid‘ während meiner Führungen benutzt, um die Menschenrechtslage im Westjordanland zu bezeichnen.“

Raz‘ Entlassung ist ein weiteres Beispiel für die systematische Unterdrückung von jüdischen Gegnern der völkermörderischen Politik des Netanjahu-Regimes. Die deutsche Regierung, die Medien und die Politiker, unterstützt von Stellvertretern Israels, stellen sich hinter den Genozid im Gazastreifen. Udi Raz ist Vorstandsmitglied des Berliner Vereins Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden im Nahen Osten. Erst vor zwei Wochen war Iris Hefets, ein weiteres Vorstandsmitglied der Organisation, von der deutschen Polizei verhaftet worden, weil sie alleine über einen öffentlichen Berliner Platz schritt und dabei ein Schild trug mit der Aufschrift: „Als Jüdin und Israelin: Stoppt den Genozid im Gazastreifen“.

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Der Fall des Talkshowphilosophen – wer wird denn da von Cancel Culture sprechen?

Von Jens Berger – 3. November 2023

„In Deutschland herrscht Meinungsfreiheit! Jeder darf sagen, was er will! Cancel Culture gibt es nicht, dies ist ein Kampfbegriff der Rechten!“ Diese Sprüche sind vor allem in der Berliner Blase sehr populär. Wie falsch sie sind, zeigt das Schicksal des Bestsellerautors und Talkshowphilosophen Richard David Precht. Der hatte sich zuvor mit einem medienkritischen Buch angreifbar gemacht, und nun hat ihn ein lapidar dahingesagter – inhaltlich falscher – Satz über das orthodoxe Judentum ins Zentrum der Cancel Culture befördert. Seine Honorarprofessur musste er schon niederlegen, Lesungen mit ihm werden abgesagt, und es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis er auch von den Bildschirmen verschwindet. Aber ja. Er durfte immerhin seine Meinung sagen.

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Jüdische Intellektuelle fordern die „Freiheit der Andersdenkenden“

Von Marianne Arens – 27. Oktober 2023

Gegen den planmäßigen Genozid an den Palästinensern im Gazastreifen gehen seit Tagen weltweit Hunderttausende auf die Straße. In Deutschland hat die Regierung, die den Krieg des Netanjahu-Regimes gegen die Palästinenser unterstützt, jede Opposition im eigenen Land gegen dieses völkermörderische Vorgehen verboten.

Ein ermutigendes Zeichen ist ein Offener Brief, den mehr als hundert jüdische Künstler, Schriftsteller und Wissenschaftler unterzeichnet haben, um die Solidaritätsäußerungen mit den Palästinensern in Deutschland in Schutz zu nehmen. „Für die Freiheit der Andersdenkenden“, lautet der Titel dieses Offenen Briefs, der bei n+1 auf Englisch und auf der Homepage der taz auf Deutsch erschienen ist.

Der Brief trägt die Unterschriften von 110 Unterzeichnenden, darunter jüdische Schriftsteller, Dichter, Journalisten und Verleger, Wissenschaftler, Lehrkräfte und Professoren, Filmemacher, Theater- und Radiomacher, Fotografen und Fotojournalisten, Musiker und Komponisten, bildende Künstler, Designer, Tänzer und Choreographen. Sie alle „verurteilen in diesem Schreiben das beunruhigende Vorgehen gegen die demokratische Öffentlichkeit nach den schrecklichen Gewalttaten in Israel und Palästina in diesem Monat“, wie es im ersten Absatz heißt.

Eingangs kritisieren sie auch die „terroristischen Angriffe auf Zivilisten in Israel“, denn: „Viele von uns haben Familie und Freunde in Israel, die von dieser Gewalt direkt betroffen sind.“ Doch dann heißt es klar und deutlich: „Mit gleicher Schärfe verurteilen wir die Tötung von Zivilisten in Gaza.“

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Palästinensische Autorin Adania Shibli von Frankfurter Buchmesse verbannt

Von Stefan Steinberg – 18.Oktober 2023

Eine prominente palästinensische Autorin wird auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse, die am Dienstagabend eröffnet wurde, zensiert. Die palästinensische Romanautorin Adania Shibli sollte am 20. Oktober auf dieser weltgrößten Buchmesse mit dem LiBeraturpreis 2023 ausgezeichnet werden. Der Preis wird jährlich an Schriftstellerinnen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und dem arabischen Raum verliehen.

Adania Shibli 2020 (Wikimedia Commons)
Adania Shibli 2020 (Wikimedia Commons)

Am vergangenen Freitag erklärte der Verein LitProm, der den Preis vergibt, dass er die Preisverleihung „aufgrund des durch die Hamas begonnenen Kriegs, unter dem Millionen Menschen in Israel und Palästina leiden“, verschiebe. Litproms feige Entscheidung, Shibli keine Plattform zu bieten, wurde durch den Direktor der Frankfurter Buchmesse, Juergen Boos, bekräftigt, der sich eindeutig hinter das ultrarechte israelische Regime stellte, das derzeit einen mörderischen Einmarsch in den Gazastreifen vorbereitet. In einer offiziellen Erklärung bezeichnete Boos im Namen der Buchmesseleitung das, was eine Reaktion der Hamas auf jahrzehntelangen israelischen Terror und Unterdrückung war, als „barbarischen Terrorkrieg gegen Israel“. Boos erklärte: „Terror darf niemals siegen“, und versicherte, dass die Buchmesse „jüdische und israelische Stimmen auf der Buchmesse nun besonders sichtbar machen“ werde. Die Buchmesse habe sich „spontan entschlossen, zusätzliche Bühnenmomente für israelische und jüdische Stimmen zu schaffen“, so Boos weiter. „Zum Messeauftakt organisiert der PEN Berlin zusammen mit uns die Veranstaltung ‚Aus Sorge um Israel‘ im Frankfurt Pavillon, der kulturpolitischen Bühne der Messe.“ Boos‘ Erklärung endet mit den Worten: „Die Frankfurter Buchmesse steht mit voller Solidarität an der Seite Israels.“ Boos enthielt sich jeglicher Kritik an der Entscheidung von Litprom, Adania Shiblis Preisverleihung auf der diesjährigen Buchmesse zu verhindern.

Bei der Eröffnung am Dienstagabend widersprach der Philosoph Slavoj Žižek, der das Gastland Slowenien vertrat, dem Messedirektor. Er bezeichnete die Entscheidung, die Buchpreisverleihung an Adania Shibli von der Buchmesse zu verbannen, als „skandalös“. Diejenigen, die nicht in das allgemeine Bild von Diversität und Inklusion passten, würden ausgeschlossen. „Ich bin deshalb nicht nur stolz, hier zu sein, ich schäme mich auch ein bisschen“, so Žižek, der in seiner Rede zunächst Israel sein „Recht auf Selbstverteidigung“ zusprach, aber dann auch auf das Leid der im Gazastreifen lebenden Palästinenserinnen und Palästinenser hinwies. Während er dafür von der großen Mehrheit der Zuhörer Applaus erhielt, verließen mehrere anwesende Politiker – darunter der Antisemitismusbeauftragte der hessischen Landesregierung Uwe Becker (CDU) – den Saal.

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Verrohung im vornehmen Opernbetrieb

Von Gisela Sonnenburg – 29. Dezember 2021

Mikhail Agrest aus Sankt Petersburg ist international als Dirigent begehrt – aber das Stuttgarter Ballett gab ihm ohne erkennbaren Grund den Laufpass. – Dem Musikdirektor des Stuttgarter Balletts wurde ohne nachvollziehbaren Grund fristlos gekündigt. Beginnt eine Ära der Verrohung, wo es bisher um Würde und Kultur ging? Ein Opernhaus steht traditionell für Würde und Kultur, für Erhabenheit und Respekt vor der Kunst. Das sollte sich eigentlich auch im arbeitsrechtlichen Umgang mit den Mitarbeitern spiegeln. Aber da lief im Fall von Mikhail Agrest wohl was schief. Der Dirigent aus Sankt Petersburg ist frustriert. Agrest, der international hoch renommiert ist, trat vor einem guten Jahr seine Stellung als Musikdirektor beim Stuttgarter Ballett an – und ist den Posten schon wieder los. Bei einer Bühnen- und Orchesterprobe zum Ballett „Onegin“ gab es Diskussionen zwischen dem sorgfältig arbeitenden Dirigenten und dem nicht mehr jungen Probenleiter Reid Anderson, der früher Ballettintendant war. Agrest favorisierte ein anderes Tempo in einem Passus der Partitur als der seit Jahrzehnten beim Stuttgarter Ballett arbeitende Anderson …

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