Interview mit Udi Raz über ihre Entlassung im Jüdischen Museum

Interview: Tamino Dreisam – 19. November 2023

„Wie gerade mit Antisemitismusvorwürfen umgegangen wird, ist an sich schon antisemitisch.“

Vor wenigen Wochen entließ das Jüdische Museum in Berlin mit Udi Raz eine seiner Guides, weil sie die Wahrheit über den Staat Israel ausgesprochen und ihn während ihrer Führungen als Apartheidstaat bezeichnet hatte. Die WSWS berichtete bereits über den Fall und hatte nun die Möglichkeit, auch direkt mit Udi Raz zu sprechen. Raz ist Vorstandsmitglied des Berliner Vereins Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden im Nahen Osten.

WSWS: Kannst du etwas genauer von dem Vorfall berichten? Wieso wurdest du entlassen? Udi Raz: Ich habe den Begriff Apartheid benutzt, um die menschenrechtliche Lage im Westjordanland zu bezeichnen. Ich arbeite im Jüdischen Museum seit Anfang dieses Jahres. Es gab immer wieder Austausch zwischen der Museumsbildungsabteilung und mir, wo immer argumentiert wurde, man solle den Begriff lieber vermeiden, da das wissenschaftlich umstritten sei. Dann habe ich immer wieder Argumente geliefert, die eigentlich die Weiternutzung des Begriffs unterstützen. Aber letztendlich meinte die Bildungsabteilung, man dürfe den Begriff nur dann benutzen, wenn man wirklich ein Gespür hat, ob die Gruppe den Begriff oder den Diskurs auch versteht und den Begriff richtig einordnen kann – also historisch, geopolitisch, geographisch und so weiter und so fort. Das habe ich auch so angewendetiDas habe ich auch so angewendet. Allerdings ist die Leiterin der Bildungsabteilung des Museums einmal mit mir mitgegangen durch eine Führung, wo ich den Begriff entsprechend benutzt habe. Ich habe ihn nur benutzt, weil ich das Gespür hatte, dass die Gruppe das auch richtig einordnen kann. Das konnte sie auch und es gab auch viel Lob dafür, dass ich die Situation der menschenrechtlichen Lage im Westjordanland so ausführlich und differenziert beschrieben habe. … Die Leiterin der Bildungsabteilung hat zwar mehrfach unterstrichen, dass ich sehr viel Lob bekommen habe und dass ich eine der am meisten gelobten Guides im Museum bin, aber da ich den Begriff erneut verwendet habe, dürfe ich keine weiteren Aufträge mehr bekommen.

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