Sanktionen töten genauso viele Menschen wie Kriege

Von Von Mark Weisbrot – 18. August 2025

Umfassende Wirtschaftssanktionen, die größtenteils von der US-Regierung verhängt werden, töten jedes Jahr Hunderttausende unschuldiger Menschen – vor allem Kinder. Die Fachzeitschrift Lancet Global Health veröffentlichte am 23. Juli eine Studie, in der die Zahl der Todesopfer über einen Zeitraum von zehn Jahren auf etwa 564.000 pro Jahr geschätzt wird. Dies ist vergleichbar mit den jährlichen Todesfällen durch bewaffnete Konflikte in der ganzen Welt.

Sanktionen werden zu einer bevorzugten Waffe der USA und einiger Verbündeter – nicht, weil sie weniger zerstörerisch sind als Militäraktionen, sondern eher, weil der Tribut weniger sichtbar ist. Sie können Nahrungsmittelsysteme und Krankenhäuser zerstören und im Stillen Menschen töten, ohne dass die grauenvollen Videos von Leichenteilen in Zeltlagern und aus der Luft bombardierten Cafés zu sehen sind. Sie bieten den politischen Entscheidungsträgern etwas, das die tödlichen Auswirkungen eines Krieges, auch gegen Zivilisten, ohne die politischen Kosten liefern kann.

Die oben angeführte Schätzung von 564.000 jährlichen Todesfällen durch Sanktionen basiert auf einer Analyse von Daten aus 152 Ländern über einen Zeitraum von zehn Jahren. Die Studie wurde von den Ökonomen Francisco Rodríguez, Silvio Rendón und mir erstellt.

Das Ergebnis ist erschütternd, aber für Ökonomen, Statistiker und andere Forscher, die die Konsequenzen von Wirtschaftssanktionen untersucht haben, nicht überraschend. Dabei handelt es sich um Maßnahmen, die sich gegen die gesamte Wirtschaft oder gegen einen Teil davon richten, von dem der Großteil der übrigen Wirtschaft abhängig ist. Beispiele sind der Finanzsektor oder ein Hauptexportgut, etwa in erdölexportierenden Volkswirtschaften.

Die Sanktionen können den Zugang zu lebenswichtigen Importen wie Medizin und Lebensmitteln sowie zur notwendigen Infrastruktur und zu Ersatzteilen für die Aufrechterhaltung der Trinkwasserversorgung – einschließlich elektrischer Systeme – blockieren.

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Mit welchen Tricks Selensky und die Europäer eine Einigung verhindern wollen

Von Thomas Röper – 18. August 2025

Heute trifft Trump Selensky, der zusammen mit fünf europäischen Staats- und Regierungschefs, der EU-Kommissionspräsidentin und dem NATO-Generalsekretär anreist. Selensky und die Europäer haben sich Tricks ausgedacht, um die Einigung von Trump und Putin zu torpedieren.

Die Meldungen, die am Sonntag über die Nachrichtenticker kamen, hatten einen selten hohen Unterhaltungswert, denn am frühen Nachmittag erklärten immer mehr europäische Staats- und Regierungschefs, dass sie am Montag zusammen mit Selensky nach Washington fliegen wollen. Offenbar haben sie Angst, Selensky alleine Trump gegenübertreten zu lassen, weil Selensky unter Trumps Druck nachgeben und einem Frieden mit Russland zustimmen könnte. Die Europäer wollen Selensky den Rücken stärken, um einen Frieden zu verhindern, der die Europäer blamiert dastehen lassen würde.

Nach jetzigem Stand fliegen zusammen mit Selensky Bundeskanzler Merz, der französische Präsident Macron, die italienische Ministerpräsidentin Meloni, der finnische Präsident Stubb, der britische Premierminister Starmer, EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und NATO-Generalsekretär Rutte nach Washington. Die Größe der Delegation bringt das Weiße Haus offenbar nicht aus der Ruhe, denn es wurde gemeldet, dass Trump zunächst alleine mit Selensky sprechen will.

Es ist kein Geheimnis, dass die EU und Selensky den Friedensvorschlag, auf den Trump und Putin sich am Freitag geeinigt haben, verhindern wollen. Dabei müssen sie, um Trump nicht zu verärgern, allerdings das Kunststück fertig bringen, es so aussehen zu lassen, als sei Russland Schuld am Scheitern der Verhandlungen.

Und offensichtlich haben sie dazu eine Idee, die für die Europäer allerdings auch zu einem Bumerang werden kann.

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Klassenfahrt nach Washington

Von Jens Berger – 18. August 2025

Nach dem Gipfeltreffen in Alaska und einem Einzelgespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wird US-Präsident Donald Trump heute auch „die Europäer“ zu einem Sondierungsgespräch zum Friedensprozess im Ukrainekrieg treffen. Es stellt sich die Frage, ob das Weiße Haus dafür überhaupt groß genug ist. Gleich sieben Vertreter werden Trump als Stimmen des alten Kontinents gegenübersitzen. Grundsätzlich ist es natürlich wichtig und richtig, die Europäer an dieser Stelle mit einzubinden, ist ein dauerhafte Friede ohne sie doch nicht möglich und stellen sie doch bislang das größte Hindernis im Friedensprozess dar. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Europäer überhaupt reif für einen Frieden sind.

„Wen rufe ich an, wenn ich mit Europa sprechen will?“ – dieses mittlerweile berühmte Zitat des ehemaligen US-Außenministers Henry Kissinger ist auch heute noch aktuell. Mittlerweile hat die EU zwar mit Kaja Kallas eine „Außenbeauftragte“, die eigentlich die zentrale Anlaufstelle für außenpolitische Fragestellungen sein sollte. Paradoxerweise steht Kallas jedoch noch nicht einmal im Aufgebot des illustren europäischen Verhandlungsteams, das heute im Weißen Haus erwartet wird. Wer Kallas’ Positionen zur europäischen Sicherheitspolitik kennt, wird dies freilich nicht bedauern.

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Britischer Verteidigungsminister stellt Truppenstationierungen in der Ukraine in Aussicht

Von Chris Marsden – 18. August 2025

Am Morgen des Gipfeltreffens zwischen US-Präsident Donald Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am 15. August in Alaska bekräftigte der britische Verteidigungsminister John Healey die Bereitschaft des Vereinigten Königreichs, in der Ukraine Bodentruppen zu stationieren, um einen Waffenstillstand abzusichern.

In der Sendung BBC Breakfast wurde Healey gefragt, ob es Großbritanniens Rolle sei, „zuzusehen und abzuwarten“. Darauf antwortete er: „Nein, es ist die Rolle des Vereinigten Königreich, der Ukraine auf dem Schlachtfeld und in den Verhandlungen beizustehen und, wie wir es bereits getan haben, als Anführer von 30 anderen Nationen die militärischen Planungen für einen Waffenstillstand und einen sicheren Frieden durch eine ,Koalition der Willigen‘, wie wir es nennen, vorzubereiten.“

Healey sagte, es handele sich um eine Gruppe von etwa 30 hauptsächlich europäischen Staaten. Mehr als 200 Militärplaner der Koalition der Willigen seien an der „detaillierten Planung für den Zeitpunkt des Waffenstillstands“ beteiligt gewesen und daher „vom ersten Tag an einsatzbereit“.

Er fügte hinzu: „Die militärischen Pläne sind abgeschlossen. Wir sind bereit, britische Truppen in der Ukraine einzusetzen, zum Teil, um die Ukrainer zu beruhigen. Aber auch, um für sicheren Luftraum und sichere Gewässer zu sorgen und die ukrainischen Truppen zu stärken. Denn die beste Abschreckung gegen Russland… gegen neuerliche russische Aggressionen gegen die Ukraine ist letztlich die Stärke der Ukraine, für sich selbst einzustehen.“

Der Interviewer, der die schwerwiegenden Auswirkungen des Vorschlags verstand, fragte, was passieren würde, wenn britische Truppen von Russland angegriffen würden. Healey bekräftigte, dass britische Truppen das Recht hätten, „sich zu verteidigen, wenn sie angegriffen werden“.

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Was Trump von Selensky fordern will

Von Thomas Röper – 17. August 2025

Inzwischen ist weitgehend bekannt, worauf sich Putin und Trump in Alaska geeinigt haben. Schauen wir uns einmal an, wofür Trump am Montag von Selensky und den Europäern deren Zustimmung erhalten will.

Unmittelbar nach dem Treffen der Präsidenten Putin und Trump in Alaska herrschte weitgehende Ratlosigkeit darüber, worauf die sich bei ihrem Treffen geeinigt hatten. Allerdings deuteten die Anzeichen bereits am Samstag darauf hin, dass Trump die russischen Positionen weitgehend akzeptiert hat und nun ein schnelles Treffen mit dem ukrainischen Machthaber Selensky wollte, um dessen Zustimmung zu erzwingen und danach einen Dreiergipfel zwischen Trump, Putin und Selensky zu organisieren.

Am Sonntag waren die Kernpunkte der Einigung zwischen Putin und Trump weitgehend durchgesickert und wurden von den Medien sehr übereinstimmend verbreitet. Schauen wir uns also einmal an, worauf sich Putin und Trump geeinigt haben, was die Hintergründe der einzelnen Punkte sind und wie deutsche Medien ihre Leser darüber „informieren“. Dazu schauen wir uns exemplarisch den Spiegel-Artikel mit der Überschrift „Positionen auf Alaska-Gipfel – Wie Putin sich einen Frieden in der Ukraine ausmalt“ an.

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Putin-Trump-Gipfel: Welche Sicherheitsgarantien will Trump der Ukraine geben?

Von Thomas Röper – 16. August 2025

Nach dem Gipfeltreffen mit dem russischen Präsidenten Putin hat US-Präsident Trump mitgeteilt, dass die USA bereit seien, der Ukraine im Falle eines Friedens Sicherheitsgarantien zu geben. In Europa atmen viele auf, aber was kann man unter diesen Sicherheitsgarantien verstehen?

Das Gipfeltreffen der Präsidenten Trump und Putin lässt eine Einigung im Ukraine-Konflikt möglich erscheinen, allerdings ist man darüber in Europa und der Ukraine nicht glücklich, denn die sich abzeichnenden Bedingungen widersprechen in so ziemlich allem dem, was man in Kiew, Brüssel, Berlin, Paris und so weiter seit über drei Jahren verlangt.

Am Samstagmorgen hat Trump die Europäer und Selensky in einem anderthalb stündigen Telefonat über sein Gespräch mit Putin informiert. Trump hat sich gegen einen NATO-Beitritt der Ukraine ausgesprochen, was nicht neu ist, aber er hat auch weitere russische Positionen übernommen.

Die Geschichte mit dem Waffenstillstand

Als Trump ins Amt kam, hat er einen sofortigen Waffenstillstand gefordert. Die Europäer waren damals noch gegen jede Art von Waffenstillstand, wollten Trump aber nicht verärgern und haben ihm daher zugestimmt. Allerdings haben sie einen bedingungslosen Waffenstillstand gefordert, der nur den Sinn gehabt hätte, die geschwächten ukrainischen Kräfte aufzufüllen, ukrainische Verteidigungsstellungen auszubauen und die Ukraine weiter zu bewaffnen.

Da ein so einseitig die Ukraine bevorzugender und Russland benachteiligender Waffenstillstand für Russland natürlich unannehmbar war, war das der offensichtliche Versuch der Europäer, Trumps Verhandlungsbemühungen zu sabotieren ohne ihm offen zu widersprechen.

Die europäische Angst, Trump zu widersprechen

Ganz ähnlich war das, als Trump letztes Wochenende davon sprach, dass die Ukraine territoriale Zugeständnisse machen müsse. Die Europäer waren immer strikt dagegen, stimmten dem nun umgehend zu und erklärten, der Ausgangspunkt müsse die Kontaktlinie sein, allerdings würde die Europäer die russischen Gebietsgewinne niemals politisch oder juristisch anerkennen. Auch hier haben sie Trump als de facto widersprochen, ohne das offen zu tun.

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Nun hat Trump erklärt, die Ukraine solle den Donbass komplett an Russland abgeben, das wäre ein schneller Weg zum Frieden. Und wieder scheint man in Europa keinen offenen Widerspruch zu wagen.

Korea vor 80 Jahren: Blockierte Selbstbestimmung mit tragischen und anachronistischen Folgen

Von Rainer Werning – 15. August 2025

Heute vor 80 Jahren, am 15. August 1945, herrschten vor allem in Korea unbeschreiblicher Jubel und überschwängliche Euphorie. Das japanische Kaiserreich hatte öffentlich seine Kapitulation bekannt gegeben, womit gleichzeitig die von Koreanern als tiefe Schmach empfundene Besatzung Tokios ein Ende fand. Von 1910 bis Mitte August 1945 war Korea japanische Kolonie und das in Ost- und Südostasien am meisten geschundene Objekt kolonialer Unterdrückung. Doch nur kurz währte die überbordende Freude: Die Siegermächte USA und Sowjetunion hatten eigene Pläne im Sinn, wie die Nachkriegsordnung auf der koreanischen Halbinsel aussehen sollte. […]

Vermissen Sie das Ambiente des Kalten Krieges, gar vermintes Gelände, Stacheldrahtverhaue? Oder darf‘s grundsolides Mauerwerk sein? Dann gönnen Sie sich in Zeiten des Urlaubs, lang ersehnter Ferien und saurer Gurken einen Trip nach Korea. Vorzugsweise an den 38. Breitengrad, der die Halbinsel unschön säuberlich in zwei Hälften teilt – diesseits eine reale kapitalistische, jenseits eine (real-)sozialistische, beide in recht gut erhaltenem Zustand. Die südliche Hälfte der koreanischen Halbinsel, die Republik Korea (ROK), feiert just am heutigen Tage auch den 77. Jahrestag ihrer Gründung. Anlass also genug, die vergangenen Dekaden einmal kritisch Revue passieren zu lassen. Die koreanische Halbinsel ist überdies ein Hort, wo sich in krassen Systemunterschieden prämoderne, moderne und postmoderne Elemente verschränken, die, wenn von außen – in diesem Fall seitens der USA – immer wieder unter Druck gesetzt, eine dauerhafte Nord-Süd-Verständigung erschwer(t)en.

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Hoffnung in düsteren Zeiten – Interview mit Hans von Sponeck

Von Karin Leukefeld – 15. August 2025

Der ehemalige UN-Diplomat und beigeordnete Generalsekretär Hans-Christof von Sponeck sprach mit den NachDenkSeiten über die erschütternden Vorgänge in Gaza, persönliche Beziehungen zu Palästinensern, deutsche Waffenlieferungen und internationale Reaktionen auf den Krieg. Das Gespräch führte Karin Leukefeld.

Zur Person: Hans-Christof von Sponeck, geboren 1939, studierte in Deutschland und den USA Geschichte, Demographie und Kulturanthropologie. Nach einer Tätigkeit für die Deutsche Stiftung für Internationale Zusammenarbeit begann er 1968 eine Diplomatenkarriere bei den Vereinten Nationen. Seine Einsatzländer waren unter anderem Ghana, Pakistan, Türkei, Botswana und Indien. 1998 trat er als Koordinator für humanitäre Fragen seinen Dienst in der irakischen Hauptstadt Bagdad an. Aus Protest gegen die Sanktionspolitik des UN-Sicherheitsrates reichte von Sponeck im Februar 2000 seinen Rücktritt ein. Er hatte zuletzt den Rang eines beigeordneten UN-Generalsekretärs. In den Folgejahren versuchte er mehrfach, die Öffentlichkeit über die prekäre humanitäre Lage im Irak aufzuklären. Hierzu veröffentlichte er mehrere Bücher. Seit 2006 ist von Sponeck Lehrbeauftragter am Zentrum für Konfliktforschung der Universität Marburg. Hans-Christof von Sponeck wurde mit mehreren Friedenspreisen ausgezeichnet.

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Der digitale Doktor: Wenn die Software „Palantir“ über Klinik, Gerichtssaal und Grenzzaun mit entscheidet

Von Günther Burbach – 15. August 2025

Die neue Macht des Datenapparats: In Zeiten von Unsicherheit, gesellschaftlicher Zerrissenheit und geopolitischen Umbrüchen hoffen Viele auf ein Werkzeug, das Klarheit schafft: auf Daten, Fakten und schnelle Antworten. Die Software Palantir verspricht genau das und ist gleichzeitig eine der größten demokratischen Herausforderungen unserer Zeit. Denn die Software rechnet nicht nur, sie entscheidet maßgeblich mit: ob im Krankenhaus, im Gerichtssaal oder an der Grenze. Deshalb bedarf es Wachsamkeit bezüglich dieses Unternehmens – und eine grundsätzliche Debatte über Kontrolle, Transparenz und Verantwortung.

I. Justiz und Rückfälligkeit – Wenn Algorithmen über Schicksale wachen

Stellen Sie sich eine Welt vor, in der ein Richter nicht allein nach Gesetz und Gewissen urteilt, sondern sich auch auf ein Dashboard stützt: Rot = hoher Risikoscore, Grün = niedriges Rückfalltempo. Diese Ebene ist näher, als Sie denken. In Großbritannien zeigte eine Anfrage nach dem Freedom-of-Information-Act, dass Palantir dem Justizministerium und der Gefängnisverwaltung selbstredend „sichere Datenverknüpfung“ zur Ermittlung von Rückfallrisiken angeboten hat. Statt Einzelfallprüfung dominierte am Ende ein Algorithmus, der Statistiken auswertet, ohne Empathie, Lebensgeschichte oder Kontext.

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Baut Deutschland in der Ukraine wirklich Raketen für Angriffe auf Ziele in Russland?

Von Victor Bodrov, Anastasia Davydenko (Übersetzung: Thomas Röper) – 15. August 2025

In der Nacht auf Donnerstag hat Russland bei Raketenangriffen mehrere ukrainische Fabriken bombardiert, die angeblich mit deutscher Hilfe und deutschem Geld entwickelte Langstreckenraketen für Angriffe auf Russland produzieren sollen.

Mitglieder der deutschen Bundesregierung waren in den letzten Monaten sehr offen und erklärten, die Bundesregierung werde in der Ukraine die Produktion von Langstreckenraketen finanzieren, die die Ukraine zusammen mit deutschen Rüstungskonzernen entwickeln und dann gegen Ziele tief im russischen Hinterland einsetzen soll.

Ich habe nicht wirklich glauben können, dass die deutsche Regierung so verrückt ist, einen Krieg mit Russland zu riskieren, indem sie gemeinsam mit der Ukraine Raketen produziert, die dann Ziele hunderte oder tausende Kilometer tief in Russland angreifen können. Da die Ukraine nicht die nötigen Aufklärungsdaten für Angriffe auf so weit entfernte Ziele hat, wäre die direkte deutsche Kriegsbeteiligung zu offensichtlich gewesen. Hinzu kommt, dass man eine Langstreckenrakete nicht so schnell entwickeln kann und dass Deutschland der Ukraine ganz sicher nicht ihr geheimes Know-How geben würde, damit die Ukraine beispielsweise die Taurus-Marschflugkörper bauen kann. Ich war daher der Meinung, Deutschland würde der Ukraine helfen, ihre Langstreckendrohne vom Typ AN-196, die eine Reichweite von bis zu 2.000 Kilometern haben und einen bis zu 75 Kilogramm schweren Gefechtskopf tragen soll, zu verbessern. Das wäre schon schlimm genug, aber es wäre keine Rakete oder Marschflugkörper.

Allerdings hatte ich damals etwas übersehen, denn die Ukraine hat Raketen, deren Reichweite man mit relativ wenig Aufwand erhöhen kann. Anscheinend hatte die Bundesregierung also nicht übertrieben, als sie davon sprach, der Ukraine bei der Entwicklung von Langstreckenraketen für Angriffe tief ins russische Hinterland zu helfen und die Produktion dieser Raketen zu finanzieren. Die Ukraine verfügt nämlich über moderne eigene Raketen, die nach den öffentlich verfügbaren Daten einen Sprengkopf von 480 Kilogramm über 500 Kilometer Entfernung ins Ziel tragen können. Diese Sprengkraft ist eine andere Größenordnung als die AN-196-Drohne mit ihrem 75-Kilo-Sprengsatz.

In der Nacht zum Donnerstag hat Russland nach eigenen Angaben die Produktionsstätten dieser Raketen bombardiert. Ich übersetze hier einen TASS-Artikel, der über die Hintergründe des Angriffs, über die vorhandenen ukrainischen Raketensysteme und über die Zusammenarbeit ukrainischer Hersteller mit dem Westen berichtet. […]

Jagd auf die „Sapsan“: Wie Russland die Bedrohung durch ukrainische Raketen bekämpft

Der russische FSB hat gemeinsam mit dem russischen Verteidigungsministerium eine Spezialoperation durchgeführt, die zur Zerstörung ukrainischer Unternehmen führte, die die Langstreckenrakete „Sapsan“ entwickeln. Die TASS über Kiews Raketenambitionen und wie Russland seine nationalistischen Nachbarn am Erwerb solcher Waffen hindert.

Nach dem Zusammenbruch der UdSSR landete etwa ein Viertel der Rüstungsunternehmen des Landes, die einst durch industrielle Zusammenarbeit verbunden waren, in der Ukraine. Zu diesen Unternehmen gehörten das riesige Südliche Maschinenbauwerk („Juzhmasch“), das ballistische Raketen in Massenproduktion herstellte, und „MotorSitsch“, eines der größten Unternehmen für die Herstellung von Turbojet-Triebwerken. Bis 1991 konzentrierte sich etwa ein Drittel des Industriepotenzials der Sowjetunion sowie zahlreiche Forschungsinstitute auf dem Gebiet der Ukrainischen SSR. Die unabhängige Ukraine wurde innerhalb ihrer neu gewonnenen Grenzen plötzlich zur Atommacht, da sich auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetrepublik 176 Silos für ballistische Raketen und taktische Atomwaffen befanden. Gemessen an der Anzahl der Atomwaffen wurde das Land nach Russland und den USA das drittgrößte der Welt. Nach einer Reihe schwieriger Verhandlungen wurden die Atomwaffen nach Russland gebracht.

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