Nicaragua klagt Deutschland wegen Beihilfe zum Völkermord in Palästina an

Von Rudi Kurz – 25.Juli 2025

Laut Nicaragua verstoße Deutschland „seit Jahrzehnten“ gegen Völkerrecht. Das mittelamerikanische Land unterstützt weiterhin die Klage Südafrikas gegen Israel

Managua/Berlin. Die Regierung von Nicaragua legt vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) fristgerecht die schriftliche Begründung ihrer Klage gegen Deutschland wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das Völkerrecht vor. Im April 2024 reichte Managua die Klage gegen Berlin ein und forderte in einem Eilantrag den Erlass einstweiliger Maßnahmen gegen Deutschland (amerika21 berichtete).

Nicaragua stützt seine Klage auf Beweise für die politische, finanzielle und militärische Unterstützung, die Deutschland dem israelischen Staat gewährt und die die Begehung schwerer internationaler Verbrechen erleichtert. Außerdem wirft Nicaragua Deutschland vor, direkt oder indirekt an der Aufrechterhaltung des von Israel geführten „Besatzungs-, Rassentrennungs- und Apartheidregimes“ mitzuwirken.

Nicaragua beruft sich auch auf die Gutachten des IGH aus den Jahren 2004 und 2024, in denen vor der Verantwortung dritter Staaten gewarnt wird, sich nicht an rechtswidrigen Handlungen zu beteiligen. Ferner dürfe die Situation, die von Israel mit Rechtsverstößen geschaffen wurde, nicht als rechtmäßig anerkannt werden.

In seiner Klagebegründung legt Nicaragua dar, dass die Verstöße Deutschlands gegen das Völkerrecht bereits vor Jahrzehnten begannen. Nicaragua verweist dabei auf die Nichteinhaltung der Verpflichtung, die Achtung des humanitären Völkerrechts zu gewährleisten, sowie auf die fehlende Einhaltung der Verpflichtung, das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes zu achten und zu fördern.[]

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Bundesregierung kann nicht sagen, was „Bundeswehr soll stärkste Armee Europas werden“ konkret bedeutet

Von Florian Warweg – 25. Juli 2025

Auf der aktuellen Bundespressekonferenz am 23. Juli hatte Regierungssprecher Stefan Kornelius noch einmal den deutschen Anspruch betont, im Verlauf der nächsten Jahre die konventionell stärkste Armee Europas aufzubauen. Die NachDenkSeiten wollten vor dem Hintergrund dieser Ausführungen wissen, was denn für die Bundesregierung der Referenzpunkt für dieses Vorhaben sei. Welche bereits existierende europäische Armee, schließlich gehören ja auch Russland und Türkei zumindest in Teilen zu Europa, will die Bundesregierung denn in Mannstärke und Ausrüstung übertrumpfen? Von Florian Warweg.

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 23. Juli 2025

Vize-Regierungssprecher Kornelius:

Der zweite Kabinettspunkt, den ich ansprechen möchte, bezieht sich auf den Entwurf eines Gesetzes zur beschleunigten Planung und Beschaffung für die Bundeswehr sowie AVV-Vergabe öffentlicher Aufträge der Bundeswehr. Die Bundeswehr soll konventionell zur stärksten Armee Europas werden, und das schnell. Das hat der Bundeskanzler zuletzt am Freitag betont. Deswegen muss die Vergabe öffentlicher Aufträge zur Deckung der Bedürfnisse der Bundeswehr deutlich erleichtert und beschleunigt werden. Aus diesem Grund hat das Kabinett heute den Entwurf eines Gesetzes zur beschleunigten Planung und Beschaffung für die Bundeswehr beschlossen. Der Entwurf wurde von der Bundeswirtschaftsministerin und dem Bundesverteidigungsminister gemeinsam vorgelegt – Doppelkopf im Bundeskabinett.

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Botschafter a. D. György Varga: Wertebasiertes Weltwirtschaftschaos

Von György Varga (Übersetzung: Éva Péli) – 25. Juli 2025

US-Präsident Donald Trump hat ein makelloses Timing. Gerade als die europäische EU- und NATO-Elite – die so tief in der Biden-Administration verwurzelt war – ihre Mängel an Kompetenz und Loyalität gegenüber den eigenen Interessen so eindrucksvoll zutage treten lässt, betritt er die Bühne. Fürwahr, es wäre ein historisches Versäumnis gewesen, dieses Geschenk des Himmels nicht auszunutzen, um die US-Hegemonie zu festigen. Denn, wie unser Autor, Botschafter a. D. György Varga, bemerkt: Wo Inkompetenz regiert, da winken Chancen für den, der weiß, wie man sie ergreift. Aus dem Ungarischen übersetzt von Éva Péli.

Erinnern Sie sich an den Jubel in Europa, als die NATO-Länder im Juni selig zustimmten, ihre Militärausgaben innerhalb eines Jahrzehnts von zwei auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu erhöhen? (Eine zweieinhalbfache Steigerung, die auch für die US-Rüstungsindustrie einen entsprechenden Gewinnzuwachs bedeutet!)

Die „Koalition der Willigen“ feierte es als Triumph der Diplomatie, dass es ihr mit Hilfe von NATO-Generalsekretär Mark Rutte und dem deutschen Kanzler Friedrich Merz gelang, Donald Trump zu überzeugen, die Waffenlieferungen an die Ukraine fortzusetzen. Der Präsident, in seiner großmütigen Güte, gab am 14. Juli seinen Segen. Das Ergebnis? Die dankbaren Europäer übernehmen fortan die zweistelligen Milliardenrechnungen für US-Waffenlieferungen und die vollständige Finanzierung des Ukraine-Krieges.

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Neues Buch zur Corona-Aufarbeitung: Testen, testen, testen – für die Politik!

Interview mit Bastian Barucker. Interview: Marcus Klöckner – 25. Juli 2025

Der Ruf nach einer Aufarbeitung der Corona-Politik wird noch lauter. Mit einem neuen Buch, das den bezeichnenden Namen „Vereinnahmte Wissenschaft – Die Corona-Protokolle des Robert Koch-Instituts“ trägt, hat der Journalist und Autor Bastian Barucker ein Autorenkollektiv vereint, das in die Abgründe der Corona-Politik führt. Seite um Seite ist das Buch ein Beleg dafür, dass umfangreiche Aufarbeitung im besten demokratischen Sinne erfolgen muss. Im NachDenkSeiten-Interview mit Marcus Klöckner verdeutlicht Barucker: „Die Politik hat gefordert, angeordnet und vorgegeben und das RKI, obwohl der Wissenschaft verpflichtet, hat geliefert, auch wenn die Vorgaben den wissenschaftlichen Erkenntnissen widersprachen.“

Marcus Klöckner: Herr Barucker, Ihr aktuelles Buch heißt „Vereinnahmte Wissenschaft – Die Corona-Protokolle des Robert Koch-Instituts“. Warum dieser Titel? Wer hat die Wissenschaft vereinnahmt?

Bastian Barucker: Beim Robert Koch-Institut [RKI] hingegen lässt sich nachweisen, dass die weisungsgebundene Behörde von der Politik, also den Gesundheitsministern, sich hat vereinnahmen lassen. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die in den Ergebnisprotokollen zusammengetragen wurden, widersprachen bei Kernthemen der Pandemiepolitik den politischen Anordnungen. Das RKI, welches anfänglich noch aufbegehrte und sich zum Beispiel gegen das von Ex-Gesundheitsminister Spahn angeordnete Testen aussprechen wollte, ließ sich Stück für Stück vereinnahmen, bis zu Mitwirkung an einer allgemeinen Impfpflicht. Diese Befehlskette ist an sich nichts Skandalöses, problematisch ist, dass der Bevölkerung vorgetäuscht wurde, die Politik höre auf die Wissenschaft. Die Mitautorin Dr. Petkova hat sich im Kapitel „Die Manipulation des Vertrauens – Die Rolle des RKI in der Krisenkommunikation“ intensiv dieser bewussten Täuschung der Öffentlichkeit gewidmet.

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Gravierende Einschränkungen der Bürgerrechte

Von Wolfgang Bittner – 25. Juli 2025

Deutschland soll »kriegstüchtig« werden, und die Berliner Regierung hat astronomische Ausgaben für die Aufrüstung bereitgestellt. Denn angeblich will Russland nach der Ukraine Westeuropa erobern, auch wenn es dafür keinerlei Belege gibt und Putin solche Absichten niemals geäußert hat. Trotzdem wird in einem Maße hochgerüstet, dass inzwischen ein Dritter Weltkrieg nicht mehr auszuschließen ist.

Dennoch gibt es kaum Widerstand gegen diese destruktive Politik, ebenso wenig gegen die übermäßige Reglementierung, Digitalisierung und Überwachung, den Weg nicht nur Deutschlands in den Totalitarismus. Wie aber steht es um die deutsche Souveränität? Und welche Folgen wird die sich global abzeichnende Verschiebung der Machtverhältnisse haben, nachdem sich viele Staaten der Dominanz der USA entziehen?

Fragen, auf die der Schriftsteller und Publizist Wolfgang Bittner Antworten gibt. Sein Buch Geopolitik im Überblick erscheint am 28. Juli 2025 im Verlag Hintergrund in der Reihe Wissen Kompakt. Nachfolgend ein Auszug.

Das Bundeskriminalamt mit nachrichtendienstlichen Befugnissen

Schon seit etwa zwei Jahrzehnten ist in Deutschland ein rapide fortschreitender Demokratieabbau zu verzeichnen. So wurden mit dem 2009 in Kraft getretenen sogenannten BKA-Gesetz die Befugnisse des Bundeskriminalamts zur »Gefahrenabwehr« in erheblichem Maße ausgeweitet.

Das Amt wurde seinerzeit – ähnlich dem FBI – in eine zentrale Polizeibehörde mit nachrichtendienstlichen Befugnissen umgewandelt, was eine völlige Veränderung des deutschen Sicherheitssystems bedeutete. Denn die bis dahin aufgrund der bitteren Erfahrungen aus der Nazizeit gebotene strikte Trennung von Polizei und Geheimdiensten wurde mit diesem »Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt« aufgehoben.

Mit einer Neufassung des Gesetzes im Jahr 2018 (zuletzt geändert am 30. Juli 2024) hat das BKA außerdem das Recht erhalten, präventive Ermittlungen ohne konkreten Tatverdacht als »Vorfeldermittlungen« durchzuführen. Dabei unterliegt die Behörde nicht mehr der Leitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft. Der genaue Titel lautet: Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (Bundeskriminalamtgesetz – BKAG). Die Grenzen sind sehr weit gesteckt, genau genommen gibt es gar keine mehr. Wer verdächtigt wird, kann schnell in einen rechtsfreien Raum geraten.

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Die neue Allianzstrategie

Von German-Foreign-Policy.com – 24. Juli 2025

EU und Japan kündigen engere Zusammenarbeit bei der Sicherung ihrer Lieferketten und in der Rüstungsindustrie an. Ziel ist größere Eigenständigkeit gegenüber China (Seltene Erden) und gegenüber den USA (Rüstung und Militär).

Die EU und Japan wollen ihre Zusammenarbeit weiter intensivieren und streben dabei größere Unabhängigkeit sowohl von China als auch von den Vereinigten Staaten an. Dies ist das Ergebnis des diesjährigen EU-Japan-Gipfels, der am gestrigen Mittwoch in Tokio abgehalten wurde. Demnach wollen beide Seiten sich von Seltenen Erden aus China unabhängig machen und auch sonst größere wirtschaftliche Eigenständigkeit erreichen. Zugleich dringen sie auf ein „stabiles“ wirtschaftliches Umfeld – eine klare Positionierung gegen die unberechenbare, mit Zöllen auch gegen Verbündete operierende Politik der Trump-Administration. Insbesondere zielen die EU und Japan auch auf eine engere Kooperation ihrer Waffenschmieden, um ihre rüstungsindustrielle Basis rasch zu erweitern. Die EU strebt Ähnliches auch mit anderen Staaten von Großbritannien über Kanada bis Südkorea an und nutzt dazu eines ihrer Hochrüstungsprogramme namens SAFE, das günstige Kredite im Volumen von bis zu 150 Milliarden Euro zur Verfügung stellt. In Zukunft sollen auch nichteuropäische Verbündete in gewissem Maß davon profitieren können. Regierungsberater in Berlin sprechen von einer neuen „Allianzstrategie“ – ohne die USA.

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Die Zerstörung des IStGH und des Völkerrechts

Von Jochen Mitschka – 24. Juli 2025

Wir beginnen damit, wie die USA mit Großbritannien im Schlepptau und Israel systematisch die Nachkriegsordnung zerstören, durch Ignorieren von internationaler Rechtsprechung, durch politische Intrigen, Erpressungen, Kriege. Wir kommen zu dem Punkt, da man annehmen muss, dass der koloniale Westen einen Tiefpunkt erreicht hatte, der an mittelalterliche Verweigerung von Menschlichkeit erinnerte. Dann beobachteten wir, wie Israel sich nicht nur Gaza und das Westjordanland einverleiben wollte, sondern den Anteil, den es seit 1967 von Syrien besetzt hielt, erheblich ausweitete. Wodurch eine Verbindung bis zur von den USA besetzten Gebiet Syriens, in dem die Kurden eine Marionettenherrschaft aufbauen durften, hergestellt werden sollte.

Der Krieg gegen den IStGH

Im Middle East Eye erschien am 15. Juli ein Artikel, der davon berichtete, mit welchen Methoden die USA und Israel Druck auf den Internationalen Strafgerichtshof und andere Organisationen wegen Israels Völkermord, Angriffskriegen und Kriegsverbrechen ausübten.

Ein Anwalt des Gerichts mit Verbindungen zu einem Netanjahu-Berater habe Khan gewarnt, dieser müsse das Verfahren wegen israelischer Kriegsverbrechen in Palästina fallen lassen, „andernfalls werde er zerstört“. Karim Khan, der Chefankläger des IStGH, hatte erklärt, dass der britisch israelische Anwalt Nicholas Kaufman ihm gesagt habe, er sei „ermächtigt“, einen Deal abzuschließen. Dadurch würde ermöglicht, dass Khan die Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant zurücknehmen könnte.

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Wieso hat Bundesregierung Aufruf zur sofortigen Beendigung des Gaza-Krieges nicht mitunterzeichnet?

Von Florian Warweg – 24. Juli 2025

Mittlerweile 30 Staaten, darunter engste Verbündete Deutschlands wie Frankreich, Spanien, Großbritannien, alle nordischen und baltischen Staaten, Japan, Australien, Kanada und die Schweiz, fordern in einem gemeinsamen Aufruf das sofortige Ende des Krieges in Gaza sowie ein Ende der „unmenschlichen Tötung von Zivilisten auf der Suche nach Lebensmitteln“. Die Tatsache, dass Deutschland diesen Appell nicht unterzeichnet hat, sorgt aktuell für einigen politischen und medialen Wirbel. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, ob der Aufruf Thema bei der Kabinettssitzung war und aus welchen Gründen die Bundesregierung sich entschieden hat, diesen Aufruf nicht zu unterzeichnen. Die Antwort erstaunt. Unter anderem fiel dabei der bezeichnende Satz, „Die Bundesregierung passt ihre Politik der israelischen Haltung an“. […]

In der gemeinsamen Erklärung, welche anfangs von 25 und mittlerweile insgesamt 30 Staaten, ausnahmslos enge Verbündete der Bundesrepublik, gezeichnet wurde, wird ein sofortiges Ende des Krieges im Gazastreifen gefordert und das Vorgehen der israelischen Regierung bei den Hilfslieferungen scharf kritisiert. Dieses sei „gefährlich, schürt Instabilität und beraubt die Menschen im Gazastreifen ihrer Menschenwürde“. In diesem Zusammenhang wird auch die „tropfenweise Versorgung mit Hilfsgütern“ sowie eine „unmenschliche Tötung von Zivilisten“ auf der Suche nach Lebensmitteln kritisiert.

Weiter heißt es darin, dass das Leid der Zivilbevölkerung in Gaza ein neues Ausmaß erreicht habe und der Tod von mehr als 800 Palästinensern „auf der Suche nach Hilfe“ entsetzlich sei: „Die Verweigerung lebenswichtiger humanitärer Hilfe durch die israelische Regierung für die Zivilbevölkerung ist inakzeptabel.“

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Zum Tod von Claus Peymann: „Krieg macht Gegenwehr erforderlich – das kann Kunst“

Von Sybille Fuchs – 24. Juli 2025

Am 16. Juli starb im Alter von 88 Jahren der Theaterregisseur und Intendant Claus Peymann. Selten hat der Tod eines Theatermannes so viel Beachtung in Politik, Kulturwelt und in den Medien gefunden. Claus Peymann war einzigartig, und das nicht nur, weil er ein bedeutender Künstler war, der große deutschsprachige Theaterbühnen über viele Jahrzehnte geprägt hat. Am Anfang war er Rebell, am Schluss galt er als der letzte König des Theaters. Aber die Rolle des Rebellen behielt er bei.

Seine Bedeutung lag darin, dass er das Theater als politisch-gesellschaftlich bedeutsame und unverzichtbare Institution begriffen und verteidigt hat, ohne künstlerische Zugeständnisse zu machen. Genauso vehement hat er verteidigt, dass im Theater auch gelacht werden solle. Narren und Clowns gehörten für ihn genauso dazu wie tragische Helden und starke Frauen.

Geboren wurde er 1937 in Bremen, sein Vater war Lehrer und überzeugter Nationalsozialist, seine Mutter eine ebenso überzeugte Gegnerin Hitlers und der Nazis. Sie hörte in den letzten Kriegsjahren Feindsender und sehnte das Ende der Schlächterei herbei. Ihr Sohn Claus wuchs in den entscheidenden Konflikten des 20. Jahrhunderts auf, und seine Jugend war geprägt von der Stimmung des „Nie wieder“. Wie viele dieser Generation suchte er eine bessere Welt in Literatur, Kunst und Theater.

Stuttgart. Bochum. Wien. Berlin. Das waren die großen Spielstätten der Karriere von Peymann, aber seine Anfänge lagen beim Studententheater der 1960er Jahre, zuerst in Hamburg, wo er Germanistik, Literatur- und Theaterwissenschaft studierte. Er sagte später über seine Hamburger Anfänge: „Ich wollte Schriftsteller werden. Mindestens Journalist“, und fuhr fort: „Dass ich Regisseur wurde, war Zufall. Jemand fiel aus im Hamburger Studententheater, wo ich ab 1960 mitmachte, dann habe ich übernommen, und es wurde natürlich gleich ein Welterfolg.“

Das Studententheater hatte seine Blütezeit in den 1950er und frühen 1960er Jahren. In der Nachkriegszeit begann es damit, die Stücke aufzuführen, die während der Nazizeit verboten und deren Autoren Nazigegner waren, im Exil lebten oder unerwünschte Ausländer waren. Darunter befanden sich auch die Stücke von Bertolt Brecht, um den die Stadttheater in Westdeutschland in der Zeit des Kalten Kriegs noch lange Zeit einen Bogen machten.

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„Humanitäre Hilfe“ aus der Hölle. Das israelische Militär lockt Palästinenser mit Lebensmitteln, um sie zu erschießen

Von Tarik Cyril Amar (übersetzt und eingeleitet von Thomas Röper) – 23. Juli 2025

Deutsche Medien melden es bestenfalls verschämt, aber Israel hat in Gaza zuerst eine Hungerblockade verhängt und dann Lebensmittelausgabestellen eröffnet, bei denen schon fast tausend hungernde Zivilisten gezielt erschossen wurden.

Israel hat im März eine totale Hungerblockade über den Gazastreifen verhängt und parallel seine Angriffe wieder aufgenommen. In Gaza sterben Menschen an Hunger, schmutzigem Wasser und Krankheiten, weil auch keine Medikamente mehr in das Gebiet kommen. Im Westen hält sich die Kritik daran in Grenzen, was viel über die sogenannten “westlichen Werte” aussagt.

Aber damit nicht genug, denn die israelische Armee hat danach Ausgabestellen für Lebensmittel eingerichtet, die natürlich nicht ausreichen, um die Bevölkerung zu versorgen. Und israelische Soldaten schießen bei diesen Ausgabestellen immer wieder gezielt auf die Hungernden, die für ein bisschen Essen Schlange stehen. Meldungen aus Israel zufolge schießen die Soldaten dabei auch gezielt auf die Geschlechtsorgane von Männern, damit diese sich nicht mehr fortpflanzen können.

Inzwischen haben israelische Soldaten seit März nach verschiedenen Angaben schon fast tausend Zivilisten an diesen Ausgabestellen erschossen, aber im Westen gibt es trotzdem keine Kritik an Israel – und erst recht keine Sanktionen.

Mit Nazi-Vergleichen muss man bekanntlich sehr vorsichtig sein, aber ich habe in diesem Zusammenhang beispielsweise über das Warschauer Ghetto recherchiert, in das die Nazis etwa eine halbe Million Juden getrieben haben. Die Zustände dort waren schrecklich und sind, auch wegen der Bevölkerungsdichte und den geringen Lebensmittelrationen, mit den heutigen Zuständen in Gaza vergleichbar. Allerdings haben nicht einmal die Nazis wahllos auf die Juden geschossen, die zu den Lebensmittelausgabestellen gekommen sind.

Israel hat auch Pläne verkündet, die denen der Nazis mit dem Warschauer Ghetto sehr ähneln. In der von Israel völlig zerstörten Stadt Rafah, in der vor dem Krieg etwa 170.000 lebten, will Israel 600.000 Palästinenser zusammentreiben und eine Mauer um das Gelände bauen. Die Menschen sollen das Gebiet nicht verlassen können, es sei denn, sie wollen aus Gaza auswandern.

Die Krönung der Pläne ist, dass die israelische Regierung das als „humanitäre Stadt“ bezeichnet, obwohl die zu erwartenden Umstände in Sachen Versorgung der Menschen und Bevölkerungsdichte ziemlich genau den Zuständen im Warschauer Ghetto entsprechen.

Der einzige Unterschied dürfte sein, dass die Juden das Warschauer Ghetto zur Arbeit verlassen durften, wobei sie sicher auch Lebensmittel gesammelt haben. Die Palästinenser sollen die “humanitäre Stadt” jedoch gar nicht verlassen dürfen. Was ist die “humanitäre Stadt” also anderes als ein Konzentrationslager?

Ein Experte hat dem Thema einen eindringlichen Artikel gewidmet, den ich übersetzt habe. […]

„Humanitäre Hilfe“ aus der Hölle

Wie Israel und seine westlichen Mittäter humanitäre Hilfe als Waffe für Völkermord und ethnische Säuberungen einsetzen

Von Tarik Cyril Amar

Der Völkermord in Gaza ist in zweierlei Hinsicht etwas Besonderes: Wie schon oft erwähnt, handelt es sich um den ersten Völkermord in der Geschichte, der praktisch im Livestream stattfindet. Kein Völkermord zuvor wurde so offen vor den Augen der Weltöffentlichkeit begangen wie dieser. Und zweitens untergräbt und zerstört der Völkermord in Gaza die geltende moralische und rechtliche Ordnung – oder zumindest die Ansprüche darauf – auf ebenso beispiellose Weise.

Diese beiden Besonderheiten hängen natürlich zusammen: Die Welt als Ganzes konnte den Völkermord im Gazastreifen seit nunmehr fast drei Jahren nur durch die sture Missachtung geschriebener wie ungeschriebener grundlegender Normen tolerieren. So hat beispielsweise fast kein Staat – mit Ausnahme des Jemen, der de facto unter der Kontrolle der Ansar-Allah-Bewegung oder der „Huthis“ steht – auch nur versucht, seiner verbindlichen und klaren Verpflichtung aus der UN-Völkermordkonvention von 1948 nachzukommen, nämlich Völkermord zu „verhindern und zu bestrafen“.

Niemand, der die Macht dazu hätte – weder im Nahen Osten noch darüber hinaus, im Alleingang oder gemeinsam mit anderen –, hat den palästinensischen Opfern des Völkermords im Gazastreifen auf die einzige Weise geholfen, die wirksam wäre: Israel mit massiver Gewalt zu stoppen.

Doch der kleine, aber dennoch überproportional einflussreiche Teil der Welt, der sich „Westen“ nennt, ist über „bloßes“ Nichthandeln hinausgegangen. Denn ob der Westen nun eine einst christlich geprägte Zivilisation ist oder nicht, sein innerster Kern ist schon lange von Heuchelei durchdrungen. Und mit dem Völkermord im Gazastreifen hat das zwanghafte Bedürfnis des Westens, selbst seine grausamsten Taten in von „Werten“ gedeckte Tugendtaten zu rationalisieren, einen neuen Höhepunkt absoluter moralischer und intellektueller Perversion erreicht.

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