Wie der „Spiegel“ die Hölle von Gaza verharmlost

Von Thomas Röper – 4. Dezember 2023

Im Gazastreifen findet ein Massaker an der Zivilbevölkerung statt. In knapp zwei Monaten Krieg sind anderthalb Mal so viele Zivilisten getötet worden, wie in 21 Monaten in der Ukraine. Ein Vergleich von Spiegel-Artikeln zeigt, wie die Propaganda des Spiegel funktioniert.

Der Gazastreifen ist ein recht kleines Gebiet von nur 360 Quadratkilometern. Das entspricht etwa der Fläche von Bremen, das 327 Quadratkilometer groß ist. Allerdings ist Gaza mit über zwei Millionen Menschen sehr dicht besiedelt. Die israelische Armee bombardiert das Gebiet hunderte Male pro Tag. Die Menschen dort sind eingeschlossen, sie können nirgendwo hin fliehen, sie sind von Lieferungen von Lebensmitteln, Wasser, Strom und Medikamenten abgeschnitten, denn die wenigen Hilfslieferungen, die es gegeben hat, haben nur wenige Prozent der benötigten Waren gebracht. Auch von der Außenwelt ist Gaza abgeschnitten, denn Telefon und Internet funktionieren fast nicht.

„Brutaler Angriffskrieg“

Bei den Bombardements der israelischen Armee sind in knapp zwei Monaten fast 16.000 Zivilisten gestorben, davon fast die Hälfte Kinder. Zum Vergleich sei an die Ukraine erinnert, in der Russland angeblich einen „brutalen Angriffskrieg“ führt. Dort sind nach offiziellen Angaben in 21 Monaten weniger als 10.000 Zivilisten gestorben, darunter weniger als 600 Kinder. Den israelischen Bomben sind in zwei Monaten anderthalb Mal so viele palästinensische Zivilisten zum Opfer, wie in der Ukraine auf beiden Seiten in 21 Monaten. In Gaza sind in zwei Monaten mehr als zehn Mal so viele Kinder Opfer des Krieges geworden, wie in der Ukraine in 21 Monaten.

Bei diesen Zahlen muss man sich wundern, dass die deutschen Medien bei ihren Berichten nicht von einem „brutalen Angriffskrieg“ Israels sprechen, das ganz offen einen Krieg gegen die palästinensische Zivilbevölkerung führt. Dass in Gaza schon 73 Journalisten den Angriffen der israelischen Armee zum Opfer gefallen sind, wird von deutschen Mainstream-Medien gar nicht thematisiert. Zum Vergleich: Im ganzen Jahr 2022 sind weltweit 53 Journalisten bei ihrer Arbeit zu Tode gekommen.

Nun hat die israelische Armee gemeldet, dass sie ihre Bodenoffensive auch auf den Süden des Gazastreifens ausgedehnt hat, der bisher als sicher erklärt war und wohin die Menschen aus dem Norden des Gazastreifen sich laut Anweisungen der israelischen Armee evakuieren sollten. Sicher war der Süden zwar nicht, denn die israelische Armee hat auch dort Bomben abgeworfen, nun aber wird es dort noch gefährlicher für die Menschen.

Über den Angriff der israelischen Armee auf den Süden des Gazastreifens hat der Spiegel in einem Artikel mit der Überschrift „Krieg im Nahen Osten – Israel weitet Bodeneinsatz offenbar auf kompletten Gazastreifen aus“ berichtet, der mit folgender Einleitung begann:

„Die Angriffe in Gaza gehen weiter – und israelische Einheiten operieren dabei nach eigenen Angaben immer weiter südlich. Doch dorthin sind Hunderttausende Zivilisten geflohen.“

„Die Brutalität der Bombardierungen ist eine bewusste Strategie“

Als ich den Artikel gelesen habe, musste ich an März 2022 denken, als die Stadt Mariupol umkämpft war. Die Lage in Gaza ist ganz objektiv wesentlich schlimmer als sie in Mariupol gewesen ist. Die Zahl der Toten ist um ein Vielfaches höher. Aber als der Spiegel im März 2022 über Mariupol berichtet hat, lautete eine Überschrift beispielsweise „Kein Strom, kein Wasser, von der Außenwelt abgeschnitten – Die Hölle von Mariupol“ und der Spiegel-Artikel begann mit folgender Einleitung:

„Nach wochenlangem Beschuss durch Putins Truppen erlebt die ostukrainische Stadt eine humanitäre Katastrophe. Militärexperten sagen: »Die Brutalität der Bombardierungen ist eine bewusste Strategie.« Wie halten die Menschen das aus?“

Während der Spiegel bei Israels Vorgehen in Gaza schreibt, dass „israelische Einheiten operieren“, sprach der Spiegel beim Vorgehen Russlands in Mariupol davon, die „Brutalität der Bombardierungen“ sei „eine bewusste Strategie“.

Dabei ist ganz objektiv gesehen das Gegenteil der Fall. Ich war mehrmals in Mariupol, auch schon, als dort noch gekämpft wurde. Die Häuser dort waren ausgebrannte Ruinen, aber sie standen noch. Russland hat keine schweren Fliegerbomben eingesetzt, sondern die Stadt im Häuserkampf befreit. Die Menschen, die sich in den Kellern versteckt haben, sind durch die Hölle gegangen, aber sie haben überlebt.

In Gaza hingegen setzt die israelische Armee schwere Fliegerbomben ein und zerstört Schulen, Wohn- und Krankenhäuser, wobei die Menschen in den Kellern keine Überlebenschance haben. Im Falle Israels ist das tatsächlich eine „bewusste Strategie“, denn Israel hat mehrmals gefordert, Ägypten solle die Grenze aufmachen, damit die Palästinenser nach Ägypten gehen können. Israel verbreitet Angst und Terror in Gaza, um die Menschen zu vertreiben. Und wer glaubt ernsthaft, dass Israel die geflohenen Palästinenser nach einer israelischen Besetzung des Gazastreifens wieder zurückkehren lassen wird?

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