Mit ihrer Rolle im Ukrainekrieg riskiert die Europäische Union ihre eigene politische Zukunft

Von Michael von der Schulenburg und Hans-Joachim Funke -19. März 2024

Die für den Westen sich verschlechternde militärische Lage in der Ukraine und der zunehmende Rückzug der USA aus diesem Krieg haben eine Situation entstehen lassen, in der die EU nun aufgerufen ist, eine Führung bei der Lösung dieses Krieges zu übernehmen. Wohl zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges hätte somit die EU die Möglichkeit, unabhängig von geopolitischen Überlegungen der USA, das Schicksal Europas in einer so entscheidenden Frage wie Krieg und Frieden auf europäischem Boden in eigener Verantwortung mitzubestimmen. Man sollte erwarten, dass sich hier die EU und ihre Mitglieder aus ihrem ureigensten Interessen heraus als das europäische Friedensprojekt beweisen würden, als welches es bei seiner Gründung einmal gedacht war.

Erschreckenderweise ist dem aber nicht so. Im Gegenteil! Während sich im amerikanischen politischen Establishment Rufe nach Verhandlungen mit Russland verdichten, gehen regierende Politiker der EU und fast aller ihrer Mitgliedsstaaten genau den umgekehrten Weg und verfangen sich in immer schrilleren Kriegsaufrufen und immer irrationaleren und sinnloseren militärischen Drohgebärden. Die Möglichkeit einer diplomatischen Lösung der dem Krieg zugrunde liegenden Probleme wird dabei nicht einmal in Erwägung gezogen.

Die große niederländische Zeitung NRC, die wie auch die etablierten deutschen Medien bisher eine Befürworterin der Fortsetzung des Krieges war, publizierte vor einigen Tagen warnend einen Bericht unter dem Titel „Die Niederlande rutscht schlafwandelnd in einen neuen Weltkrieg hinein“. Eine solche Warnung gilt sicherlich auch für die gesamte EU. Riskiert eine politische Elite in der EU aus einem falschen Selbstgerechtigkeitsgefühl heraus Europas Niedergang? …

Seine diesjährige Rede zur Lage der Nation begann Präsident Biden wieder einmal damit, der Ukraine seine uneingeschränkte Unterstützung zu versichern. Nur, dieses Mal blieben es leere Worte. Viel entscheidender waren wohl zwei andere Bemerkungen in seiner Rede: Zum einem betonte er, dass er in keinem Falle amerikanische Soldaten in den Krieg auf ukrainischen Boden schicken werde und dass nur die Ukraine Russland stoppen könne. Wie die Ukraine das nach zwei Jahren eines bereits mit einem hohen ukrainischen Blutzoll und Zerstörungen ihres Landes bezahlten Krieges tun soll, hat Biden nicht erwähnt, auch nicht, wie die Unterstützungen der USA aussehen würden. Es ist daher gut zu verstehen, warum die Frau des ukrainischen Präsidenten die Einladung Präsident Bidens, bei seiner Rede demonstrativ im US-Kongress zu sitzen, ablehnte. Die Ukrainer – und insbesondere Präsident Selenskyj – müssen sich von den USA verraten fühlen.

Denn während ukrainische Streitkräfte immer stärkere Verluste hinnehmen müssen, hatten die USA schon seit sechs Monaten ihre finanziellen und militärischen Unterstützungen für die Ukraine weitestgehend eingestellt. Im US-Repräsentantenhaus gibt es keine Mehrheit mehr dafür. Auch in dem mit Bidens Rede fast gleichzeitig verabschiedeten US-Notbudget für die kommenden sechs Monate wird eine Unterstützung für die Ukraine mit keinem Wort erwähnt. Dieses Notbudget überbrückt den US-Haushalt bis kurz vor die Präsidentschaftswahlen, in denen inzwischen ein Donald Trump die besseren Chancen hat, erneut Präsident der Vereinigten Staaten zu werden. Von allem, was wir von ihm wissen, könnte er über die Köpfe der Ukrainer und auch über die Köpfe der Europäer hinweg mit dem russischen Präsidenten Putin ein Ende des Ukrainekrieges aushandeln.

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