Die Documenta 15 und der verlogene Vorwurf des Antisemitismus

Von Sybille Fuchs – 22. Juli 2022

Am 16. Juli trat Sabine Schormann, die Generaldirektorin und Geschäftsführerin der Documenta 15, unter massivem politischem Druck zurück. Zuvor hatte sich der Vorwurf des Antisemitismus gegen die Weltkunstausstellung in Kassel zugespitzt. Entsprechende Vorwürfe waren bereits vor der Eröffnung der Documenta erhoben worden, die in diesem Jahr vom indonesischen Künstlerkollektiv Ruangrupa ausgerichtet wird, das neben allgemeiner Kritik am Kolonialismus auch Kritik an der Palästinenserpolitik der israelischen Regierung übt. Die Kritik erreichte Orkanstärke, als auf der Ausstellung kurzzeitig ein riesiges, zwanzig Jahre altes Transparent des indonesischen Kollektivs Taring Padi gezeigt wurde, das sich gegen die von der Suharto-Diktatur geprägten gesellschaftlichen Verhältnisse in Indonesien richtet. Unter Hunderten Figuren und Szenen fanden Kritiker zwei, die antisemitische Merkmale aufweisen: In einer Reihe Soldaten oder Polizisten im Sturmschritt findet sich eine Figur mit Schweinsgesicht, einem Halstuch mit Davidstern und einem Helm mit der Aufschrift „Mossad“ – anscheinend ein Hinweis auf die Mitwirkung des berüchtigten israelischen Auslandsgeheimdiensts am Putsch Suhartos, dem 1965 zwischen 400.000 und einer Million Kommunisten und regierungskritische Studenten zum Opfer fielen. Die zweite Figur, ein Mann in Anzug und Krawatte mit Haifisch-artigen Zähnen, einer Zigarre im Mund und angedeuteten Schläfenlocken mit einer SS-Rune auf dem Hut, ähnelt auf fatale Weise den Nazi-Karikaturen jüdischer Kapitalisten.

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