Der Westen und der Iran: Kopflos durch die Macht

Von Tom J. Wellbrock – 28 April 2024

Deutsche Medien und Politik steigern sich in ihren geopolitischen Größenwahn immer mehr hinein. Die Folgen der teils irrwitzigen Ideen, die dabei entstehen, interessieren nicht. Das ist nicht nur ein Zeichen von Ignoranz, sondern auch von Dummheit.

„Wenn wir das System schon nicht stärken, wie können wir es denn schwächen?“ Diese Frage stellte der ZDF-Moderator Markus Lanz kürzlich Kevin Kühnert, dem Generalsekretär der SPD. Der antwortete irgendwas mit Sanktionen und der Unterstützung Oppositioneller. Keiner der anderen Gäste in der Runde stellte Lanz die Gegenfrage: „Mit welchem Recht dürfen wir den Iran schwächen?“

Damaskus: der verschwiegene Angriff

Aktuell ist Iran im Fokus deutscher Journalisten und Politiker. Alles dreht sich um die Frage, wie auf den Angriff Irans auf Israel reagiert werden sollte. Die Ideen reichen von Sanktionen bis hin zu Bomben, und immer ist der Ausgangspunkt Irans Angriff auf Israel.

Während in den ersten Tagen nach diesen Attacken Irans hier und da noch angemerkt wurde, dass vor dem Vergeltungsschlag ein völkerrechtswidriger Angriff auf ein Konsulatsgebäude in Damaskus (Syrien) durch Israel verübt wurde, spielt das inzwischen keine Rolle mehr. Der Angriff Israels, der erst zu dem iranischen Gegenschlag führte, ist aus der veröffentlichten Wahrnehmung getilgt worden, um die Sprachregelung „Angriff auf Israel“ rechtfertigen zu können.

Erneut stellt Deutschland eindrucksvoll unter Beweis, was es unter Geschichte versteht. Im Falle der Ukraine beginnt diese am 24. Februar 2022, im Fall Israels am 7. Oktober 2023, und jetzt, beim Iran, beginnt sie – nachträglich korrigiert – mit dem 16. April 2024. Unter den Tisch fallen sämtliche Zeiträume vor diesen beschlossenen wichtigen Daten, womit die gesamten Vorgeschichten ebenfalls zu thematischem Staub zerfallen.

Hier geht es natürlich um das „Gut-Böse-Prinzip“, das nur aufrechterhalten werden kann, wenn unbequeme Fakten unterschlagen werden. Doch es wäre zu einfach, die westliche Praxis auf moralische Ansprüche zu reduzieren, die allein schon zynisch und doppelmoralisch belegt sind. Beim Kampf gegen Iran spielen weit mehr Dinge eine Rolle, und diese reichen von innenpolitischer Einflussnahme als Mittel im Kampf gegen China und andere BRICS-Länder bis hin zur weltweiten Energieversorgung. Dazwischen liegen zahlreiche weitere Themengebiete, aber diese spielen mit Sicherheit keine Rolle: Demokratie, Menschenrechte, Meinungsfreiheit. Das wäre auch zutiefst unglaubwürdig. Man kann diese Errungenschaften nicht im eigenen Land abschaffen, um sie von anderen zu fordern.

[Hier weiterlesen]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.