Von Karin Leukefeld – 10. Dezember 2025
Wenn aus Gründen des Datums „8. Dezember“ die vor einem Jahr erfolgte Vertreibung Assads aus Syrien gefeiert und die neue Herrschaft unter Al Sharaa gefeiert wird, so ist das nur die eine Hälfte der Realität. Karin Leukefeld, die über Jahre in Syrien gelebt hat, kennt auch die andere Seite der Realität. Noch immer gehören Armut und Hunger zur syrischen Realität. (cm)
Es kommt auf die Perspektive an, wie sich der erste Jahrestag nach dem gewaltsamen Machtwechsel in Syrien darstellt. Das staatliche Motto – auch für die Syrer im Ausland – ist, einen „Jahrestag des Sieges und der Befreiung“ zu feiern. Der 8. Dezember ist Feiertag, die Festkomitees haben kein Geld und keine Mühen gescheut, um das Land als eine große Feier darzustellen.
In einem Sicherheitsbericht, der seit vielen Jahren für private Nichtregierungsorganisationen im Land erstellt wird, heißt es am 8. Dezember 2025: „Dies ist eine Warnung: bitte seien Sie vorsichtig, wenn die Feiern beginnen, werden sie in die Luft schießen. Aber jede Kugel wird wieder herunterkommen, also passen Sie auf!“
Der Blick der neuen syrischen Medien
Sieht man die zahlreichen Video-Berichte der syrischen Nachrichtenagentur SANA, herrscht im Land Frieden und Freude und Feiern finden aller Orten statt. Da gibt es ein Fest in Azaz unweit der Grenze zur Türkei, wo die Menschen Fahnen schwenken, zum Rhythmus der Musik aus den Lautsprechern klatschen und ihre Kinder in die Luft heben. Über der Promenade der Hafenstadt Banias kreist eine Drohne, die mit ihrer Kamera große Menschenmengen am Ufer überquert, um dann in einem furiosen Auf und Ab über Booten zu kreisen, die Menschengruppen in einer „Bootszeremonie“ durch die Bucht transportieren. An den Masten wehen die neuen syrischen Fahnen. In der nahe gelegenen Hafenstadt Tartus werden im Kulturzentrum die Weihnachtsfeierlichkeiten eröffnet. Ein Kinderchor singt vor der versammelten Familienschar, zu der sich – in der ersten Reihe – auch eine Gruppe örtlicher Geistlicher gesellt hat. Ein weiterer Film zeigt den Start einer Freiheitstour von Radfahrern, die von Hama nach Homs fahren. Und ein Triathlon Athlet fährt mit dem Fahrrad von Beirut nach Damaskus, um den „Tag des Sieges und der Befreiung“ am 8. Dezember zu würdigen. Dem erschöpften Mann werden Girlanden mit Rosen um den Hals gelegt.