Von Detlef Koch -12. September 2025
Die in Gaza beobachtete Strategie des Aushungerns wäre ohne Entmenschlichung der Opfer kaum durchführbar. Wer ein Volk als minderwertig oder pauschal gefährlich betrachtet, kann es eher kollektiven Straf- und Tötungsmaßnahmen unterwerfen. Feindbilder und fehlende Sanktionen ergeben einen Teufelskreis: Wer den Gegner als weniger wert ansieht und keine Konsequenzen fürchten muss, neigt eher zu extremer Härte.
Die humanitäre Lage im Gazastreifen hat sich seit Oktober 2023 dramatisch verschärft. Nach dem Hamas-Angriff und dem folgenden Krieg verhängte Israel eine totale Blockade über das dicht besiedelte Gebiet. Über 62.000 Palästinenser wurden seither durch Bombardierungen getötet und rund 159.000 verletzt – 18.400 der Getöteten waren Kinder. Zugleich rutschte Gaza in eine menschengemachte Hungerkrise historischen Ausmaßes: Bis Juli 2025 wurden rund 150 Hungertote dokumentiert – etwa 60 Prozent davon Kleinkinder.
Experten sprechen von einer erstmals vollständig vom Menschen verursachten Hungersnot des 21. Jahrhunderts, ausgelöst nicht durch Dürre, sondern durch systematische Versorgungssperren. Im August 2025 stufte die Integrated Food Security Phase Classification IPC-Analyse große Teile Gazas als „Katastrophe“ (5-Famine (with solid evidence)) ein, was einer offiziellen Hungersnot gleichkommt.
Zudem wurde die Bevölkerung fast vollständig aus ihren Wohnorten vertrieben: Bis Anfang 2024 waren laut UN-Angaben etwa 85 Prozent aller Gazaner mindestens einmal auf der Flucht. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Wie bedingen sich Entmenschlichung und Hunger in diesem Konflikt – wie kann eine solche humanitäre Katastrophe bewusst herbeigeführt und hingenommen werden?
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