Von Ralph Bosshard – 6. Mai 2025
Im Zuge des aktuellen, europäisch-russischen Kriegs – und um solch einen handelt es sich beim Krieg in der Ukraine de facto mittlerweile – ist Europa auf der Suche nach Rezepten im Umgang mit Russland und stöbert in der Geschichte. Derzeit wird das Beispiel Finnlands im Zweiten Weltkrieg als Blaupause für die Zukunft angepriesen. Wer etwas tiefer gräbt, dem kommen aber Zweifel an der Eignung Finnlands als Beispiel. Kommentatoren, die solches empfehlen, demonstrieren regelmäßig eher ihr Halbwissen und ihre Ratlosigkeit.
Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war für Finnland eine turbulente Zeit: Zwar hatte sich das Land nicht am Ersten Weltkrieg beteiligen müssen – es war mit dem Russischen Imperium nur dadurch verbunden, dass die russischen Zaren in Personalunion Großfürsten von Finnland waren – aber es geriet danach in den Strudel des russischen Bürgerkriegs. Finnische Kommunisten versuchten mit Unterstützung der roten Zaren in Moskau ihr Land zur Räterepublik nach dem Vorbild der Sowjetunion zu machen, während finnische Nationalisten Theorien von angeblich verwandten Völkern spannen und von einem Großfinnland träumten, das weit über sämtliche Grenzen hinausging, die Finnland in seiner Geschichte je gesehen hatte.